Nein, ich war nicht in Japan. Immer noch nicht. Aber irgendwann wird es geschehen, und ich besuche die Käsemacher auf Hokkaido und bringe Euch selbstverständlich einen Koffer voller spannenden Stoff mit! In der Zwischenzeit sammle ich Infos – und treffe Menschen wie Walter Britz, neulich auf einer Party – Ihr kennt ihn vielleicht aus der Markthalle Neun, wo er samstags mit einem Stand namens Umami Japan steht.
Walter hatte Sake dabei, und der war wirklich der Hammer; nicht pasteurisiert, unfiltriert, eine unglaubliche Aromendichte, mit Umami, also „Leckerhaftigkeit“ bis zum Abwinken. Was war natürlich mein erster Gedanke? Käse! Dazu Käse… Walter leuchtete das sofort ein und somit fand am 16. August die erste Erkundung zum Thema Sake und Käse statt. Gleich vorweg: Ihr Heinzelcheesetalker wart großartig! Einige von Euch hatten noch nie Sake getrunken, die Käsearomatoleranz war bei manchen höher als bei anderen – aber alle wart Ihr bereit, offen zu riechen und zu schmecken und Euch mit Neuem anzufreunden. Danke.
Wir starteten rituell ins Wochenende mit PetNat-Bubbles von Janson-Bernhard und stillten den großen Durst mit Xa-rello von Albet i Noya aus dem Penedès, während Walter uns in die rudimentären Grundkenntnisse des Sake einführte:
1. Je geschliffener der Reis, desto eleganter der Sake.
2. Je höher der Nihonshudo-Wert (oder Sake Meter Value, SMV), desto trockener der Sake – siehe unten.
3. Je frischer der Sake, desto besser.
und 4. Unpasteurisierter Sake ist etwas ganz besonderes.
An Käse hatte ich eine möglichst breite Auswahl mitgebracht (ohne die Sake vorher probiert zu haben), um mit Euch zusammen zu erkunden, wie ganz verschiedene Stile, Texturen und Reifegrade auf die Reisweine reagieren würden.
Und dann ging es los: Aurélie, ein relativ frischer Ziegen-Rohmilchkäse von Karditsel aus Belgien (bzw. von Alte Milch), Cremeer, ein ganz leicht rotgeschmierter Kuh-Rohmilch-Weichkäse von Backensholz aus Schleswig-Holstein (bzw. Alte Milch), und, nochmals ganz anders, 15 Monate kristallin und konzentriert gereifter Kuh-Rohmilch-Hartkäse von der Alpe Loch im Bregenzerwald (bzw. Menze). Dazu in den Gläsern Tsukasa Botan Extra Dry, ein Junmaishu aus Kochi (ich gehe hier nicht näher auf die verschiedenen Sake-Typen ein, da könnt Ihr Euch bitte an Walter wenden): 15,4% Alkohol und ein SMV von +8 ließen diesen Extra Dry für Weintrinker immer noch sehr rund und weich erscheinen, Ihr fühltet Euch an süßen Hefeteig und Hefebrand und Trester erinnert, mit feinen getrockneten Fruchtnoten am Gaumen, wunderbar balanciert und streichelweich… Die Meinungen zum Käse am Tisch gingen auseinander (das ist das Großartige an solchen Gruppenerkundungen!), für manche drängte der Sake die frische Säure der Aurélie etwas in den Hintergrund, für andere dominierte die kremige Textur des Cremeer den Wein – doch am meisten erstaunten Zuspruch fand das Zusammenspiel des würzigen Alppanoramas des Alpe Loch mit Umami-Würze und Fülle. Wow.
Es folgte der ausgesprochen elegante Fuga aus Nada, ein Junmai Daiginjo (16% und SMV -2, also einen Tick süßer, was sich aber eher in mehr Fülle und etwas stärker wahrnehmbaren Alkohol äußerte). Dazu hatte ich, einfach aus dem Gefühl heraus, den Pyrenäenkäse mitgebracht, ein fester Schnittkäse aus Schafsrohmilch von Norbert Fischer aus Langenburg im Jagsttal, und wesentlich festeren 12-monatigen Mimolette aus Nordostfrankreich, dessen Rinde von Milben bestimmt ist. Der Fuga wirkte herzhafter im Duft, erinnerte an getrocknete Pilze und Wald und ließ den Pyrenäenkäse zuerst etwas scheu erscheinen. Doch dann erinnerte sich der an die eigene Fülle der Schafsmilch und zeigte nach hinten seine wunderbare, runde Säure, und die beiden verstanden sich prächtig. Was Ihr auch zum Mimolette befandet – ganz erstaunlich, wie sich dessen sehr glatte Struktur doch voll und ganz mit dem Wein verband.
Der dritte Sake war der eigentliche Grund dieses Abends, mein Aha-Erlebnis in jener Party-Nacht. Walter hatte extra für uns die letzten beiden Flaschen des Urakasumi aus Kochi aufgehoben, der als umpasteurisierter Junmaishu Namazake eingeflogen wird und sich nur begrenzt hält. 17%, SMV +1 – und einfach köstlich, da von einer unglaublichen geschmacklichen Komplexität. Süße, ja, aber gleichzeitig auch so viele herzhafte Anklänge… ganz entfernt ließe sich an ganz große, gereifte Oloroso Sherry denken, und die allerbesten, allergereiftesten Trockenbeerenauslesen, die ich erleben durfte – und doch wieder ganz anders (und in diesem Kontext für relativ kleines Geld und ohne jahrelange Wartefrist zu haben!). Beim Käse tauchten wir dazu richtig in die Fülle der Schafsmilch ein, deren Konzentration an Protein, Fett und Mineralstoffen von Natur aus beinahe doppelt so hoch ist als Kuh- oder Ziegenmilch. Zum Auftakt ein ganz frischer, quarkiger Brebis-Frischkäse, einfach nur als Referenz für den täuschend „frisch“ wirkenden, 10 Monate im Ziegenfell gereiften Erzincan Deri Tulum Peynir aus Nordost-Anatolien (über den Ihr mehr hier lesen könnt – ein Konzentrat an mineralischer Würze, muskulöser Säure, Dichte…). Außerdem hatte ich Hölzig Schaf vom Schweizer Großmeister Willi Schmid aus Toggenburg mitgebracht, ein ausdrucksvoller geschmierter Rohmilch-Weichkäse, der wie ein Vacherin Mont d’Or im Fichtenring reift und deutlich von den harzigen Aromen geprägt wird. Es waren eindrucksvolle Begegnungen, die sowohl beim Erzincan Tulum als auch beim Hölzig Schaf absolut auf Augenhöhe stattfanden, wie Ihr nahezu einstimmig befandet.
Schließlich nochmals ganz anders: mit dem Harushika Tokimeki hatte Walter einen modernen, alkoholleichteren (6%), deutlich süßen (SMV -80?!) und perlenden Sparkling Junmaishu aus Nara mitgebracht, mit den für diese Region typischen Nara-Hirschen auf dem Etikett und in Süße und Balance ähnlich einer ganz jungen Riesling Beerenauslese. Einige von Euch waren begeistert, anderen war das zuviel. Ich hatte zwei Blauschimmelkäse dazu vorbereitet, beide aus Kuh-Rohmilch: den Friesisch Blue von Backensholz (bzw. Alte Milch) und das wirklich allerletzte Stück des Rogue River Blue von David Gremmels und seiner Rogue Creamery im Süden von Oregon an der Pazifikküste. Ersterer etwas fester und leicht rotgeschmiert, an Tilsiter und Danish Blue angelehnt, letzterer kremigdicht, kristallin und würzig, mit der Süße der in Birnenbrand eingelegten Weinblätter, in denen er ein Jahr lang reift. Beides gefiel Euch, und wir waren uns einig, daß diese Kombinationen in kleiner Dosis als Abschluss eines prächtigen Menüs perfekt wären; Käse und Süßes zugleich.
Auf alle Fälle zeigte diese intensive Erkundung, wie gut (guter) Sake mit (gutem) Käse harmoniert, und wieviel es zu entdecken gibt. Theoretisch war ich vorher schon überzeugt gewesen, daß Milchsäure und Umami auf beiden Seiten sich gut verstehen würden, praktisch war es einfach… fantastisch. Dank an Euch, die Ihr solche Experimente mittragt, und dank an Walter – der zum Schluß noch einen ungeplanten Bonustrack aus seinem Vorratskoffer zauberte! Der Songen Junmai Namazake aus Ishikawa (15%, SMV +3) war ebenfalls unpasteurisiert, eine Idee trockener als der Urakasumi – und mein absoluter Liebling. Hach. じゃあまたたくさんのご挨拶
Und ja, es war eine Vollmondnacht.
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”).Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!