Blauschimmelkäse, das ist wie Innereien oder Opernarien: die einen sind total begeistert, die anderen stöhnen „geht gaaar nicht“. Erstere mußte ich nicht groß überzeugen, daß es nicht viel Intereressanteres geben könnte, als das breite Angebot dieser Käse von schmelzigkremigem Gorgonzola Dolce über buttrigen Stilton bis hin zu Schweizer Jerseyblue zu verkosten und zu diskutieren. Letztere ließen sich trotzdem darauf ein, ihren Geschmackshorizont zu erweitern – zumal die Weine, sämtlich vom Berliner Weingroßhändler La Bodega (danke!!!) darauf angelegt waren, dem Blau ungeahnte Eleganz zu entlocken.
Im Glas begannen wir ungewöhnlich, mit dunklem, herbem Lambrusco von Pietra Scura, weil ich Euch zeigen wollte, wie wunderbar das sowohl zu einem kremigschmelzenden Gorgonzola Dolce als auch dem dichten, ebenso üppigen Jerseyblue von Willi Schmid aus dem schweizerischen Toggenburg passen kann. Die nächste Kombination war gewagt: der buttrigwürzige und durch eine Höhenlage von etwa 800 Meter doch nicht fette Chardonnay von der Bodega Cerrón aus Castilla La Mancha und zwei dichte Blauschimmler im Stilton-Modus. Ungewohnt erfrischend, aber nicht häßlich, waren wir uns einig, vor allem auch, weil die Käse so spannend waren: Joe Schneiders Stichelton, ein sechsmonatiger Stilton aus Rohmilch, der nicht Stilton heißen darf (und am Vorabend mit unserem Fenster zum Hof-Ehrenpreis ausgezeichnet worden war), und der von ihm inspirierte Young Buck von Mike Thomson aus Nordirland, ebenfalls aus Rohmilch, aber nur halb so lange gereift.
Dann Soloauftritt aus dem Piemont, der König: „Il re Castelmagno„, selbstverständlich begleitet von Barolo, 2015 von Gianni Gagliardo – witzigerweise aber ohne eine Spur von Blauschimmel in dem mit fünf Monaten noch sehr jungen, säuerlich bröseligen Teig. Was aber natürlich auch interessant war!
Nach dem transparenten Nebbiolo kam mit dem Garnatxa von Capçanes aus Montsant in Katalonien (und zwar der Abfüllung vom Kalkboden – beinahe tuntig dunkel, voll, mit 15% in Richtung Portwein tendierend und doch gefährlich lebendig und frisch) etwas ganz anderes in Glas. Beim Käse blieben wir in Irland: aus Tipperary von der Blues Creamery kamen Cooldaniel aus Kuhmilch und Coolpaddy aus Ziegenmilch, beide sehr intensiv und doch sehr unterschiedlich. Ich war wirklich beeindruckt, wie wenig Berührungsängste selbst bekennende Blauschimmel-Skeptiker unter Euch zeigten!
Zum krönenden, beinahe schon weihnachtlichen Abschluss gab es dann Süßes: den verführerisch traubigen, geschmeidigen Muscat de Rivesaltes der Domaines des Chênes aus dem Roussillon im Glas und den großartig gewagten Lakritz-Schoki vom Rheingau-Affineur auf dem Brett: ein Friesisch Blue von der Rohmilchkäserei Backensholz, den Anke Heymach mit einer hauchdünnen Schicht Lakritz überzieht und mit zerstoßenen Kakaobohnen bestreut. Ich weiß, klingt super-gimmicky, schmeckt aber wirklich wirklich toll.
Danke an Euch alle – Wernher für die Weine (Bezugsquellen über diese Email), Alicia und Svenja fürs Assistieren – und allen zusammen für Eure fortwährende Offenheit, Euer Interesse, Eure Begeisterung – bis zum nächsten Jahr.
Und so schön kann Blauschimmelkäse unter dem Mikroskop sein… (das ist von @ScienceSource).