Heinzelcheesetalk #60: Wie schmeckt Albanien? Freitag, 01. März 2019

Albanien, Land zwischen Bergen und Adria, mit alter und doch ganz junger Geschichte und viel dramatischem Auf und Ab. Albanien, wo Völker, Stämme und Religionen nicht nur seit langem aufeinander treffen, sondern auch eine ganz eigenständige Kultur entstanden ist und sich erhalten hat. Einen Hinweis darauf gibt die Sprache: Albanisch gehört zu den wenigen indogermanischen Sprachen, die sich dem römischen Einfluß erfolgreich entzogen haben.

Ich erzähle im Moment ziemlich viel von Albanien, weil ich gerade eine sehr intensive, inspirierende Woche in Tirana verbracht habe. Albanisch kann ich leider immer noch nicht (das hat so wunderbare Wörter wie patellxhan – für Aubergine – und qumesht – für Milch zu bieten), aber Käse – djaht! kaçkavall! – hatte ich selbstverständlich für Euch mitgebracht.

Auch wenn die Albaner selbst das nicht so gerne hören, sind hier in der Küche griechische und türkische Einflüsse zu erkennen, die sich in unterschiedlichsten topographischen Situationen mit balkanischen Elementen vereinigt haben, und das gilt auch für den Käse. Und den albanischen Wein, von dem ich bis vor kurzem keine Ahnung hatte. Ich hatte drei Flaschen für Euch mitgebracht, die wir nicht nur um die üblichen Freitagabend-Bubbles (Riesling! Brut! Frey!) bereicherten, sondern auch einen sehr interessanten serbischen Wein der Sorte Tamjanika (eine Muskatvariante) namens Vera vom Weingut Budimir erweiterten (danke Markus!), sowie einen Kadarka von Heimann (dazu später mehr).

Ich wollte Euch bei diesem Heinzelcheesetalk ein kleines bißchen Albanien auf die Zunge und ans Herz legen – es war sozusagen eine sehr exklusive Sneak Preview auf mein Buch über die moderne albanische Küche, an der der großartige Bledar Kola in dem kleinen Restaurant Mullixhiu hier in Tirana seit Anfang 2016 arbeitet.

Wir begannen im Glas jedoch mit drei Weinen aus dem Norden Rumäniens; zwei weiße Mädchentrauben (Alba und Regala) und die bekanntere schwarze. Diese Sorte ist bis vor kurzem ziemlich malträtiert worden, doch inzwischen gibt es wieder sehr spannende Weine, wie in diesem Fall von Liliac. Dazu beschäftigten wir uns mit drei Kaçkavall, also (im Gegensatz zum in Lake gelagerten djathë) trocken gereiften Hartkäsen, auf die ich in einem Bioladen namens Natyral gestoßen war und die von deren eigenem Hof in Ndroq eine halbe Autostunde westlich von Tirana stammten. Jeweils aus Kuh-, Ziegen- und Schafsmilch waren dies schlichte, ziemlich junge Käse, die vor allem von der Milchqualität lebten und sehr eindrücklich den Unterschied zwischen den Tieren beziehungsweise ihrer Milch demonstrierten.

Dann, zu dem aromatisch-rauchigen serbischen Wein, einen gereiften Kaçkavall von der Käserei des Mizri i Zanave, dem eine Autostunde nördlich von Tirana bei Lezha gelegenem Schwesterrestaurant des Mullixhiu. Aus Ziegen- und Kuhmilch war dies ein ziemlich eleganter Käse. Der darauffolgende war in Rotwein eingelegt (ansonsten aber identisch) und zeigte, wie die Art der Reifung Säure und Textur der Käse beeinflußt.

Endlich: der albanische Weißwein, Shesh i Bardhe der Kantine Bardha – ich hätte Euch gerne so viele andere Weine mitgebracht, es gab wirklich sehr spannende Sachen, was aber logistisch zumindest dieses Mal nicht möglich war. Shesh i Bardhe ist eine autochthone Sorte aus Mittelalbanien, die recht sanft einsetzt, dann viel Traubigkeit auf den Gaumen legt, bevor sie ihn ganz hinten wieder mit einer sehr schönen Herbe freiräumt. Ich bin ihr ziemlich verfallen… der weiche runde flache Käse von Mizri i Zanave gefiel Euch allen dazu, ebenso die ganz sanft geräucherten, getrockneten kleinen Ricotta (die im Mullixhiu vor allem in der Küche eingesetzt werden).

Mit der roten Variante des Shesh, Shesh i Zi (als 2008 sehr schön gereift) wurde es dann ernst beim Käse: Mishavine! Der traditionelle Käse aus den Bergen im äußersten Norden Albaniens, ähnlich wie ein Tulum als trockener, gesäuerter und gesalzener Quark in kleine Holzfässer gedrückt und mit Fett versiegelt. Aus Schafsmilch. Ein Charakterdarsteller, und sehr selten. Wir probierten ihn in Varianten ohne und mit natürlichem (spontanem) Blauschimmel – und erahnten die wilde Schönheit der albanischen Alpen, der „verwunschenen Berge“, die bis über 2600 Meter aufsteigen…

Dazu schenkte ich Euch zuerst den 2015 Kadarka von Heimann aus Szekszárd in Ungarn ein, wie für gute Weine dieser Sorte charakteristisch wunderbar floral duftig und transparent und doch nach hinten rund. Warum dieser Ausflug? Weil ich von Gjoke Gjini (rechts) gelernt habe, daß diese so durch und durch ungarische Sorte ursprünglich aus Kallmet bei Lezha stammt, wo er auch Kallmet heißt… Tatsächlich ließ sich das mit dem letzten Wein, dem sehr beeindruckenden 2016 Kallmet Prestij der von Gjini und seiner Familie gegründeten und geführten Kallmeti Winery sehr gut nachvollziehen.

Es war ein winzig kleiner Ausschnitt aus der Fülle an Eindrücken, die ich bereits in diesen wenigen Tagen in Tirana gesammelt habe – und ich habe jetzt noch nicht einmal das großartige Brot erwähnt, das ich Euch aus dem Mullixhiu mitgebracht hatte (das seinem Namen, Müller, mit drei Steinmühlen und selbstgebackenem Sauerteigbrot alle Ehre macht)…

Ich danke Euch für Euer Interesse, Eure Aufmerksamkeit, Eure Anwesenheit. Und ich danke allen neuen albanischen Freunden! Wir sehen uns spätestens bei der „Taufe“ dieses neuen Buchbabys im Spätsommer beziehungsweise Frühherbst – cheesio und faleminderit.

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

2 Gedanken zu „Heinzelcheesetalk #60: Wie schmeckt Albanien? Freitag, 01. März 2019“

  1. Liebe Ursula,vielen vielen Dank für die Gaumenfreuden am Freitagabend. Es war köstlich, hat Spass gemacht und in mir neue Reisepläne geweckt!Und nun noch hast du noch die Dokumentation dazu geliefert.Echt toll.
    herzlichst, bis zum nächsten mal,Erdmute

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