Heinzelcheesetalk #93: Käse aus dem Nordosten der USA (mit zwei Ausnahmen)! Freitag, 23. September 2022

Ich war endlich wieder auf der anderen Seite des Atlantiks und hatte, selbstredend, eine gefühlte Tonne Käse der besten und spannendsten Adressen mitgebracht, zum größten Teil aus dem Nordosten der USA. Natürlich war mein absoluter Favorit dabei, der Harbison von Jasper Hill, aber erstens kann man den gar nicht oft genug erleben, und zweitens hatte ich daneben viele andere, neue Käse.

Wie immer gab es zuerst zum Ankommen ein paar Bubbles im Glas, dieses Mal Crémant de Limoux Brut Rosé (danke, Suff!). Dabei unterhielten wir uns ein bißchen über allfällige Vorurteile – es überrascht mich immer wieder, wie tief das alles sitzt. Richtig gutes Brot in den USA? Nee, oder? Und können die denn überhaupt Käse machen, die Amis? Naja, ich hab ja selber so angefangen, und ich finde es großartig, daß Ihr trotzdem zu einem Heinzelcheesetalk mit dem Thema Ami-Käse kommt!

Wir begannen mit dem fein gereiften St Johnsville Jr von Cochran Farm 1790, einem StartUp aus dem Mohawk Valley in Upstate New York, und dem mit geräuchertem Paprika gewürzten Piper’s Pyramid von Capriole aus Greenville in Indiana (die hingegen zu den Pionieren der handwerklichen Käsebewegung der USA gehören), beides erstklassige Ziegenkäse, die der Cantalouette, ein weißer Bergerac von Tour des Gendres (aus Sauvignon, Chenin und Savagnin – nochmals, danke Suff!) auf unterschiedliche Weise begleitete. Mit dem Eligo von Jasper Hill in Vermont aus Kuh- und Ziegenmilch gingen wir zu einer ganzen Reihe mehr oder weniger weicher Käse über. Dieser erste ganz üppig und „glatt“, der zweite, Oma, ausschließlich aus Kuhmilch, eher säuerlich und deutlich aromatischer – „riecht nach Sporttasche“ lautete ein spontaner Kommentar. Der Beaujolais Blanc, ein Chardonnay von Château de Grand Pré (zum dritten Mal: danke Suff!), wirkte ein wenig süßlich dazu, kam aber ansonsten gut zurecht, und ihr mit ihm.

Zum sehr aromatischen, beinahe zähflüssigen Coperthwaite der Churchtown Dairy, einem ebenfalls in Upstate New York ansässigen Rockefeller-Projekt (mehr dazu in Kürze beim nächsten Käse des Monats hier) unterzog ich Euch, uns, mit dem 2015 Puro Rosé von Movia aus dem Westen Sloweniens einem Experiment – Schaumwein zu rotgeschmiertem Weichkäse?! Noch dazu ein Ancestrale, also direkt auf der Flasche „verbubbelt“ und nicht degorgiert, daher hefetrüb (und übrigens aus Pinot Noir, Pinot Grigio und Ribolla)… die Kohlensäure wirkte sehr dominant und „brausig“, und ich denke, wir haken das unter „interessant“ ab.

Harbison, der kleine runde Weichkäse mit dem Fichtenrindenring von Jasper Hill (mehr dazu hier), war deutlich glücklicher über den 2020 Chardonnay von Shelter Winery, dem Weingut von Hans-Bert Espe und Silke Wolf in Kenzingen in Baden, und Ihr mit ihm. Beides sehr feiner Stoff, was der Appalachian von Meadow Creek in Galax/Virginia auf wiederum ganz andere, wonnig süße Art fortsetzte. Der Conundrum von Jasper Hill brachte dann eine ganz eigene Würze mit (ob nun rätselhaft oder nicht). Mit ihm gingen wir zum Rotwein über, dem kräutrig frischen 2019 Hand in Hand Spätburgunder, einem gemeinsamen Projekt von Markus Klumpp (Kraichgau) und Meike Näkel (Ahr) – Hand in Hand ist grundsätzlich ein gutes Motto und paßte einwandfrei zum Namensgeber des zweiten Käse der Churchtown Dairy, dem mürb brechenden Wendell. Wendell Berry gehört zu den großen amerikanischen Schriftstellern der Gegenwart (ja, das können die auch, die Amis ;), macht als Aktivist unermüdlich auf die immense Bedeutung unserer Umwelt aufmerksam und schreibt wunderbare Gedichte (schaut mal hier). Der Käse war ihm angemessen.

Über den Bloomsday von Cato Corner diskutierten wir dann eine ganze Weile. Ähnlich mürbe wie der Wendell, aber deutlich komplexer, bewegte er sich zwischen reifem Gouda, dem großartigen Remeker der Familie van de Voort und einer Ahnung von Cheddar. Und vertrug sich hervorragend mit dem elegant gereiften 2014 Don Miguel Vineyard Pinot Noir von Marimar aus dem Russian River Valley in Kalifornien.

Schließlich, nachdem wir auch über die stark angestiegenen Preise für handwerklichen Käse in den USA diskutiert hatten (mehr dazu von Janet Fletcher auf ihrem Blog Planet Cheese; in Europa zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab), zweimal Cheddar, der Klassiker des amerikanischen Käse-Nordostens. Cabot Clothbound von der gleichnamigen Creamery und bei Jasper Hill gereift, war mit neun Monaten ziemlich jung und beinahe nougatartig-süßlich, der zwei Jahre alte Shelburne hingegen ein supertypischer Vertreter seiner Zunft: viel Säure (die für manche von Euch bitter wirkte) und diese ganz eigene, schiefrigbrüchige und doch gar nicht trockene Textur. Der 2018 Côtes-du-Rhône Reserve der Famille Perrin nahm sich beider souverän an, ohne sie zu bevormunden.

Es war ein sehr schöner Abend mit Euch, ich war beeindruckt von Eurer Geduld und Aufmerksamkeit und sehr froh, daß Ihr bereit war für ein Update Eures Amerika-Bilds!

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio – hoffen wir, daß die Welt zusammenhält und wieder zusammen findet.

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