Heinzelnews für den März 2025: Migrantenkäse in Poporange, indigener Wein aus Italien und zwei Bücher zum Thema Heimat

Wenn Ihr das lest und die Heinzelnews noch nicht abonniert habt, könnt Ihr dies hier tun. For all those who had subscribed to an English version of any of my blogs: I am now doing only this monthly newsletter, in German, as there are now so many, and very good, online translation apps. Thanks for your understanding!

Wer mich schon länger kennt, weiß, daß es mir bei all den Verkostungen, Veranstaltungen und Treffen nicht um Empfehlungen geht, sondern immer um Horizonterweiterung: da draußen gibt es so viel mehr und so viel andere(s), als wir wissen oder wahrnehmen. Käse ist dabei ein großartiger Aufhänger, weil er einen (so man und frau ihn denn läßt) ganz schnell in die kleinen und großen Zusammenhänge der weiten Welt mitnimmt: wirtschaftliche, soziale, politische, historische…

Das bedeutet häufig auch, Vorurteile aufzudecken. Zum Beispiel: Cheddar ist orange. Ja, nee, kann er sein, aber meistens ist er gelb, bzw. weiß. Was hingegen stimmt: Cheddar ist der Migrantenkäse schlechthin, weil er sich zusammen mit englischen Auswanderern im gesamten Commonwealth verbreitet hat; Kanada, Australien, Neuseeland… wenn sie Milch hatten, haben die Frauen sie in der ihnen vertrauten Art verarbeitet (ja, Käse hat auch was mit Imperialismus zu tun). Die orange Farbe kommt hier nur indirekt ins Spiel , die Annatto-Samen, die dafür genutzt werden, sind seit dem Mittelalter (Kolumbus/Mittelamerika) eine beliebte Methode, um Butter und Käse aus blasser Wintermilch ein bißchen attraktiver zu machen. Irgendjemand übertrieb es dann mal: Poporange als USP.

Bei manchen Käsen wurde der Farbknaller (der sich geschmacklich nicht bemerkbar macht!) allerdings Teil ihrer Identität: Red Leicester, ursprünglich aus der gleichnamigen Grafschaft und von Höfen, die auch Stilton machten. Der ist aufwendiger und schneller reif, so daß die flachen, festeren und damit länger reifenden Red Leicester-Laibe als Ausgleich für Milchmengen dienten (eine gute Quelle zur Geschichte findet Ihr hier). Industrieller Red Leicester ähnelt industriellem Cheddar – seit 2005 gibt es aber auch eine Farmhouse-Version aus Rohmilch; der Sparkenhoe Red Leicester von Jo und David Clarke ist etwas krümeliger in der Textur, dabei runder in der Säure, die Erdigkeit ganz im Hintergrund… und wenn Ihr Glück habt, findet Ihr ihn bei einem guten Käsehändler auch hierzulande. Ich hab ihn neulich in der (überraschend vergnüglichen, sehr empfehlenswerten) Cheese Bar Pick & Cheese in London einmal mehr erlebt. Das „Sauerkraut“ dazu paßte gut, war aber eher ein Krautsalat ;)

Eine Art Gegenbegriff zu Migration ist „Heimat“. Wozu mir immer der Mischpoke-Song einfällt: „Heimat, immer nur Einzahl, gibt es sie wirklich nur einmal, oder zweimal, oder keinmal?“ – aber auch die in manchen Fällen vielleicht übermäßige Betonung von „autochthon“ und „indigen“ bei Rebsorten (und darüberhinaus). Ja, klasse, wenn sich etwas oder jemand besonders lange und gut an die Umgebung angepaßt hat, aber das genügt dann auch als Qualitätszuweisung.

Das mal als Vorbemerkung für den heutigen Wein: Trebium von Antonelli San Marco in Montefalco/Umbrien. Der besteht aus der alten, lokalen (!) Sorte Trebbiano Spoletino, die mit der landläufigen vertrauten Trebbiano-Beliebigkeit weder ampelographisch noch geschmacklich verwandt ist und vor gut 20 Jahren beinahe verschwunden wäre. Er bringt genau die richtige Geschmeidigkeit mit, um sowohl unserem poporangen Käsekandidaten als auch den noch frischen ersten Frühlingslüften standzuhalten – mit oder ohne Heimatstempel Klassestoff.

Bevor das hier alles viel zu lang wird (bin mir nie so ganz sicher, wieviel Ihr eigentlich tatsächlich lest ;) seien Euch die folgenden zwei Bücher einfach nur empfohlen, ohne große Zitate. In beiden geht es um das tägliche Leben in einem fremden Land – wird es je Heimat werden können, dürfen? Nur soviel: den franco-marokkanischen Roman von Leïla Slimani gibt es auch auf deutsch, Das Land der Anderen, und die deutsch-türkischen Dschinns von Fatma Aydemir auch als Theaterstück im Berliner Gorki-Theater.

Was Ihr aber hoffentlich lest, hier nochmal, ist die große Heinzelcheese-Neuigkeit: eine Käse-Exkursion! Nachdem wir uns jetzt schon seit über zehn Jahren einmal im Monat zum Käse-Erforschen, Käse-Probieren, Käse-Lernen (und Wein-Trinken ;) treffen, würde ich gerne mit einer kleinen Gruppe von Euch auf Exkursion gehen. Zum Käse (mit Wein). Ich hab mir das so vorgestellt: wir reisen individuell an, ich stelle ein spannendes Programm zusammen und gebe die Dolmetscherin und natürlich Reisebegleitung, organisiere Hotel und Abendessen. Und zwar informativ und bodenständig-erschwinglich. Wir erleben zusammen Orte und Menschen, zu denen Ihr sonst nicht unbedingt Zugang hättet. Heinzelcheesetalk vor Ort!

Zum Auftakt: drei Tage Lyon. Ende November. Wir besichtigen die Reifekeller des Spitzen-Affineurs Christian Janier (von dem unter anderem Maître Philippe und La Käserie Käse beziehen), mit ihm persönlich, nehmen (alle!) als Juroren am Concours International de Lyon teil, wo Käse aus aller Welt zur Bewertung angestellt werden, besuchen zusammen Les Halles und ausgesuchte Fromageries in Lyon – und gehen jeden Abend in einem anderen Bouchon essen; so heißen die traditionellen, urigen Gaststätten Lyons, in denen nach wie vor die typisch herzhaften Gerichte serviert werden, von Pâté en croûte über Andouillette bis zu Hechtklößchen, und natürlich St Marcellin, und Wein, aus dem Burgund und von der nördlichen Rhône.

Was meint Ihr? Hier könnt Ihr das alles nochmal zusammengefasst lesen, mit den genauen Daten. Ich bin sehr gespannt auf Euer Feedback, jeglicher Art – im Moment gibt es eine Interessentenliste, im Laufe des März bekommt Ihr dann Details und könnt Euch definitiv anmelden. Ich würde mich wie gesagt ausgesprochen freuen, wenn wir in Zukunft regelmäßig zusammen auf Heinzelcheese-Exkursion gehen.

Auch zum Lesen, in der Vinum, Foodpairing und Rezepte zu Chianti und rumänischen Fetească-Weinen.

Abschließend: Termine! Jetzt am Sonntag, 2.3. ein ganz spezieller Heinzelcheesetalk im Rahmen der La Grande Suff, der Hausweinmesse der Suffköppe in der Markthalle Neun: drei Käse und sechs Weine – was geht wie? Und am Freitag, den 28.3. ein „normaler“ Heinzelcheesetalk mit einer Auswahl von Käsen, die ich aus Wien mitbringen werde – Einladung erfolgt wie immer separat (für das entsprechende Newsletter könnt Ihr Euch hier anmelden). Cheesio und bis bald, hoffentlich.

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