Wiederum durften wir uns mit 3G-Regel an unserem Tisch in der Markthalle treffen! Was bedeutete, daß ich Euch besondere Käse (und Weine;) mitbringen konnte, die eher etwas schwieriger aufzutreiben sind. In diesem Fall lag der Schwerpunkt ganz besonders auf den Käserinden. Wir haben natürlich trotzdem den ganzen Käse verkostet. Aber es kommen immer wieder Fragen zur Art und Entstehung der Rinde auf, und ich hatte deshalb eine Auswahl an Käsen zusammengestellt, anhand derer sich viele Aspekte zum Thema darstellen und erklären ließen.
Wir begannen bei Null, ganz frischen kleinen Ziegenkäsen ohne jegliche Rinde vom Ziegenhof Schleckweda an der Weißen Elster zwischen Naumburg und Gera in Saale-Unstrut, nachdem wir wie immer erstmal mit Bubbles angestoßen hatten, dieses Mal Chardonnay Brut von Zimmer-Mengel. Danach verglichen wir mitten gleichen Käsen, die ich knapp vier Wochen in meinem Kühlschrank hatte reifen lassen, sprachen über Hefen und Schimmelpilze – und diskutierten über das ziemlich ungewöhnliche, malzig-fruchtige Aolt Beer mit Brombeeren von Kemker Kultuur aus Münster.
Es folgte ein weiterer Ziegenkäse von Astrid und Igor Blume und ihren 70 Thüringer Waldziegen aus Schleckweda: die Aschepyramide war gut gereift, direkt unter der geaschten, mit etwas weißem Schimmel überwachsenen Rinde leicht flüssig und nach hinten ziemlich kräftig. Trotzdem gefiel Euch die Balance, und der 2019 Silvaner vom Weingut Seeliger, der direkt nebenan gewachsen ist, fing das ganz großartig auf. Auch zum gereiften Hartkäse paßte er gut. Hier unterhielten wir uns über Rotschmiere und nach Keller duftende Naturrinden. Letztere war beim Blauen Reiter, einem gereiften Weichkäse mit etwas Blauschimmel, den Astrid Blume in großen Vierteln reifen läßt, sehr schön zu studieren. Ich griff spontan zu einem ungarischen Weißwein, dem 2019 Csavargó von Peter Bakonyi aus Villanyi. Die Cuvée aus Grünem Veltliner, Harslevelü, Welschriesling und Királyleányka, die ich auch noch nie probiert hatte, ließ uns alle in wohlige, tiefe Seufzer verfallen und umarmte den Käse auf innigste Weise… Sternstunde!
Dann zurück ins Leben, mit dem fröhlich-säuerlichen Salva Cremasco aus Kuh-Rohmilch aus der Lombardei, dessen gekräuselte Naturrinde so wunderbar knusperte. Rotschmiere in Reinkultur brachte dann der gereifte Langres aus dem Südosten der Champagne auf die Bretter und Zungen (und unter die Nasen ;). Ich hatte dazu aus leider gegebenem Anlaß Spätburgunder von der Ahr mitgebracht, 2016 Mayschosser vom Weingut Deutzerhof, sehr fein und elegant. 2015 Pinot Noir R vom Weingut Baumann in Oberhallau im Nordosten der Schweiz demonstrierte, daß diese Rebsorte auch viel kräftiger ausfallen kann, und begleitete einen wunderbar affinierten, nach den vielen Kräutern duftenden Brin d’Amour aus Korsika, der viele Schichten der Reifung verdeutlichte.
Schließlich gingen wir mit ebenfalls gereiftem Mimolette zu einem Kernpunkt unseres Themas über: den Milben. Absolut faszinierende, allgegenwärtige Kleinstlebewesen – über die ich an anderer Stelle, nämlich in einer Effilee-Kolumne bald mehr schreiben werde, liebe Versuchskaninchen! Der Mimolette zeigte sehr schön, wie ihr Einfluß für geschmackliche Komplexität sorgen kann, und der 2016 Chianti Classico von Riecine mit seinen runden Kirscharomen freute sich mit uns. Wir befaßten uns dann ziemlich eingehend mit unseren neuen Freunden anhand verschiedener Formen von Würchwitzer Milbenkäse (am elegantesten die vier Monate gereifte Himmelsscheibe aus Kuh- und Ziegenmilch) und tranken dazu fruchtigen Solaris Amabile aus der Schweiz.
Und dann schloß sich der Kreis mit den milbengereiften kleinen Ziegenfrischkäsen von Schleckweda, auf denen die Milben noch so richtig sprangen. War das noch Rinde, oder schon große Käsekunst?
Der Hausmeister war längst um uns herum am Aufräumen, ich schenkte zur Erfrischung noch den zitrus-singenden, klingenden 2012 Riesling Löhrer Berg von Martin Tesch ein – und war und bin hoch beeindruckt von Euch (wie immer!). Großes Kompliment ob Eurer Offenheit und Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten. Danke.
HeinzelCheeseTalks finden (jetzt hoffentlich wieder regelmäßig!) rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!