Heinzelcheesetalk Space Odyssee zum sechsten: Freitag, 21. Mai 2021

Ich schrieb Euch: Die Vögel drehen förmlich durch da draußen, mein Balkon ist endlich wieder von morgens bis abends Lieblingsort, die Parks voller Skateboard-Picknick-Sonne-Luft-Freude… und fragte mich, ob Ihr überhaupt noch Lust auf ein virtuelles Treffen habt? Denn ich eigentlich schon. Und es stellte sich heraus: Ihr auch! Also saßen wir wieder mit unseren Einkäufen bei Alte Milch und Suff an unserem Tisch im großen Käse-All und freuten uns einmal mehr darüber, daß es dort viele mehr Platz gibt als in der Markthalle.

Wir öffneten den 2019 Riesling trocken von Clemens Busch aus Pünderich von der Terrassenmosel (einem der hartnäckigsten und erfolgreichsten Ökopioniere dieses Gebiets), um aufs Wochenende anzustoßen, und gingen erstmal in eine Vorstellungsrunde, die über alle Ecken Berlins über Rheinsberg bis nach Darmstadt, Frankfurt und Aschaffenburg reichte (und virtuell bis in die Berge ;) Dann beschäftigten wir uns mit den ersten beiden Käsen, zweimal Corleggy. Corleggy wird von Silke Cropp und ihrem Sohn Tom geführt und liegt „mitten“ in Irland, nahe der nordirischen Grenze in County Cavan. Silke gehört zu der Gruppe von deutschen Frauen, die in den 1980ern nach Irland auswanderten, mehr zufällig begannen, Käse zu machen und damit die Hofkäsekultur des Landes neu belebten. Es war ein interessanter Vergleich, da beide Käse ganz gleich gemacht waren und aus Ziegenmilch, Weichkäse mit einer graublauweißen, samtigen Naturrinde, aber unterschiedlich groß: der erste etwa zwei Kilo schwer und quadratisch, der zweiten ein kleiner Zylinder. Der erste, vom 17. März, war von deutlicher Säure geprägt, wirkte quarkig und körnig, der zweite, vom 24. März, hingegen gleichmäßig in der Textur, runder und etwas salziger. Mit dem Riesling vertrugen sie sich beide gut.

Dann ein großer Sprung in die Toskana, mit dem jungen Pecorino (4. März) von Stefano Spinelli aus Lamperecchio. Der tat sich interessanterweise ziemlich schwer nach den ausdrucksvollen Ziegenkäse, wirkte verschlossen (wie man beim Wein sagen würde). Wir unterhielten uns über die Konzentration von Schafsmilch, das ganz eigene Aroma des Lanolin und die unterschiedliche Rinde im Vergleich zu den Corleggy. Ich erzählte Euch ein bißchen was über den Pecorino als solchen (was Ihr auch in meinem Buch Vom Käsemachen nachlesen könnt) – und schon ging es weiter, Richtung Schweiz, mit einem Zwischenstopp am Bodensee.

Die Domäne Heggelbach ist eine Demeter-Hofgemeinschaft in der Nähe von Überlingen, die seit vielen Jahren Braunvieh als Milchkühe halten und diese ausschließlich mit Gras, Klee und Heu füttern, ohne Kraftfutter jeglicher Art. Stephan Ryffel ist für die Käserei verantwortlich und produziert einmal im Monat einen Hartkäse für Alte Milch in Berlin, nach einer gemeinsam entwickelten Rezeptur. Den hatten wir nun vor uns, vom 6. August letzten Jahres. Die Rotschmierrinde war dunkelbraun, trocken und roch nach Kuhstall, der feste Teig hatte etwas schmelzend Schwereloses, sehr ungewöhnlich, zumal er Euch mit seiner lebhaften Säure an frische Ananas erinnerte. Je länger wir uns mit ihm beschäftigen, desto mehr gefiel er uns, versetzte uns auf blühende Bergwiesen…

Der 2015 Côtes du Jura von Jean Bourdy, ein lange im großen alten Eichenfass gereifter Chardonnay, überraschte Euch auch mit seinem an Sherry erinnernden Duft. Im Mund jedoch war er rund und eher nussig, ausgesprochen ausgewogen in Säure, Schmelz und Alkohol. Die Familie Bourdy betreibt ihr Weingut in der 15. Generation und arbeitet sehr traditionell (was nahezu automatisch dazu geführt hat, daß sie Demeter-zertifiziert sind). Das bedeutet im gebirgigen, kühlen Jura auch, die Weißweine viele Jahre in nicht ganz spundvollen Fässern oxidativ reifen zu lassen, so daß sich ein Hefeflor auf der Oberfläche bildet, „sous voile“. Extremster Ausdruck dieses Stils ist der Vin Jaune, den einige von Euch auch kannten. Es sind ausgesprochen käse-affine Weine, die Luft im Glas brauchen und nicht zu kalt sein dürfen. Wir hätten uns noch viel länger damit beschäftigen können, gingen dann aber zum letzten Käse über, dem Gruyère Alpage aus dem Schweizer Wallis. Vom 1. Oktober 2019 war dies ein Vor-Corona-Käse, dicht und sämig und üppig und… einfach ein Klassiker in Bestform, der Euch allen gefiel.

Wir schlossen mit einer Endrunde, welches Eure Favoriten waren: Heggelbach, sagten die meisten, der eine oder andere Corleggy, aber auch Gruyère. Und damit verabschiedeten wir uns ins Pfingstwochenende – danke, cheesio und cheerio Ihr Lieben, paßt weiterhin gut auf Euch auf, und bis bald, hier oder dort, so oder so.

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