Heinzelcheesetalk #58: Blue and sweet, Stilton und Port. Freitag, 7. Dezember 2018

„Die Wälder sind schon schwarz, der Himmel ist noch blau“ – das ist Marcel Proust, der in seinem von Geschmacksinteressierten vielzitierten Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (Madeleine! Lindenblütentee!) einen Absatz später dann tatsächlich auch schon wieder beim Abendessen ist. Heinzelcheese fällt dazu natürlich sofort blauer Käse ein, der zum Winter gehört wie Weihnachtsmärkte und lange Spaziergänge im Schnee. Vor allem in Form von Stilton, dem englischen Klassiker, der traditionell zum Jahresende zu Bestform gereift ist – und perfekt zu Portwein paßt, mit dem es sich nach dem Schnee hervorragend aufwärmen läßt.

Und da ich dachte, es sei in der Markthalle im Dezember wie in den Vorjahren auch schon ziemlich frisch, schien das genau das richtige Thema für den letzten Heinzelcheesetalk dieses ereignisreichen Jahres: Stilton in all seinen originalen und verwandten Formen und Portwein. Aber auch dem einen oder anderen Blauschimmelkäse und ganz anders gearteten Süßweinen – geht das auch? Wie geht das?

Na, richtig kalt war es nicht, aber eine wunderbare Schwelgerei! Nach dem obligatorischen Freitagabend-Ankomm-Sekt (das Einhorn von Frey aus dem Breisgau) stiegen wir gleich so richtig ein, mit der großartig kremigen, an weiße Pfirsiche und Birnen erinnernden, super lang anhaltenden Riesling Auslese 2017 von Othegraven aus dem Ockfener Bockstein an der Saar. Dazu der Oregon Blue von Rogue Creamery aus Oregon. Der lag irgendwo zwischen Bleu d’Auvergne und Gorgonzola piccante, war dicht und kräftig und vertrug sich bestens mit dem Riesling! Es folgte Roquefort (der die Meinungen am Tisch etwas spaltete) und duftig-fruchtiger Muscat de Rivesaltes von Saint Roch (der all die Schafsmilch-Üppigkeit mit seiner Säure ziemlich auf Trab brachte). Ebenfalls aus Schafsmilch aber deutlich gereifter und eher deswegen „schärfer“ war dann der Roqueblue von der Langenburger Schafskäserei aus dem Jagst-Tal. Der erdbeer-runde, streichelweiche 2015 Spätburgunder Rosé Eiswein von Clauss in Lottstetten zwischen Schweiz und Bodensee kam damit jedoch bestens zurecht und besänftigte die Gaumen aufs Feinste. Mit dem Echo Mountain, wiederum von Rogue aus Oregon gingen wir zurück zur Kuh (mit etwas Ziegenmilch), sehr wenig Blauschimmel und einer Dichte und tiefen Säure, die mich geschmacklich an Cheddar erinnerte.

Und dann, endlich, Portwein. Zum Einstieg Ruby von Quinta do Noval. Dachte ich. Hatte aber Kork… also Ruby von Niepoort, von den Suffköppen: sehr vergnüglich und zugänglich, der Alkohol verführerisch gut eingebunden und ein sehr überzeugender Begleiter des ersten Stilton, einer eingeschweißten Ecke aus einem englischen Supermarkt der gehobenen Art, von Long Clawson. Cremig, süßlich, eingängig. Ihr mochtet ihn alle, wart Euch aber einig, daß der nächste Stilton, Cropwell Bishop aus der Bedienungstheke eines großen Kaufhauses in Berlin, deutlich mehr Charakter und Komplexität mitbrachte. Aber es folgte die Königsklasse: Stichelton. Aus Rohmilch. Weihnachten… und 2011 Late Bottled Vintage von Noval. Unfiltered. Gefährlich gut. Ein Glück, daß es nicht so kalt war!

Sehr interessant dann der Young Buck von Mike Thomson aus Newtonards bei Belfast. Vom Stichelton inspiriert, und der erste und bis jetzt einzige Blauschimmelkäse aus Rohmilch in Nordirland. Der Teig deutlich gereift, die Rinde viel dominanter. Ebenso spannend und unerwartet: der Merlino von Pojer & Sandri aus den Dolomiten, Lagrein wie Portwein ausgebaut, also die Gärung durch den Zusatz von Weinbrand gestoppt – ein schmeichelnder, schnurrender, gurrender Streichler, getrocknete Kirschen, Kakaobohnen, Karamellkrem… danke Markus! Ebenso süß und fruchtig und von ungeheurem Suchtpotenzial war unser letzter Käse, der Rogue River Blue – Rohmilch der Herbstsonnenwende, in mit Birnengeist marinierten Weinblättern gereift. Da war es selbst um die Blauschimmel-Skeptiker am Tisch geschehen. Und der 2012 Silvaner Eiswein aus dem Escherndorfer Lump von Horst Sauer (wiederum: danke, Markus!) setzte dem die Gelbe-Frucht-Säure-Mineralik-Krone auf…

Auch ohne winterliche Kälte gab es am Tisch viele rote Wangen und strahlende Augen, wie bei der Weihnachtsbescherung. Ein angenehm herber Schluck PetNat von Menti brachte uns zumindest soweit auf den Boden der Tatsachen zurück, daß der sichere Heimweg gewährleistet war. Hoffe ich zumindest. Und wünsche Euch nur das Beste für alle Feste, und das Rutschen, und das nächste Jahr. Danke.

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

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