HeinzelCheeseTalk #37: die spannendsten türkischen Käse von der Slow Cheese in Bodrum. Freitag, 10. März 2017

Nach dem Winterschlaf ist vor der nächsten Reise, auf den Spuren von Käse, Wein, Menschen: Anfang März war ich auf der Slow Cheese in Bodrum in der Türkei (und vorher in Sachen Oxford Symposium in London, und beim Parabere Forum in Barcelona – aber das ist eine andere Geschichte). Der Koffer war extra locker gepackt, damit viel Käse hineinpasst, den ich mit Euch zusammen in Berlin in der Markthalle Neun nochmal ganz neu und anders erleben wollte als mit dem Blick aufs ägäische Meer.

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Sie hatten viel zu erzählen, diese Käse, weil sie von der komplexen Geschichte der anatolischen Halbinsel geprägt sind: von nomadischen Völkern unterschiedlichster Kulturen, Flüchtlingsschicksalen, Handelsrouten. Sie waren aus Schafsmilch, Ziegenmilch und Kuhmilch. Und sie zeigten uns, daß das Leben von Anfang an (Mesopotamien liegt gleich um die Ecke, gewissermaßen) viel komplexer war, und bis heute ist, als es Archäologen, Geschichtsbücher und moderne Medien darstellen können. Vorurteile, nein danke!

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Peynir – Käse. Als vergnüglich-unkomplizierter Dil Peynir, Zungenkäse und als Kasar aus Kars, mit Schweizer Migrationsgeschichte (dazu mehr, wenn ich hoffentlich im Juli endlich nach Kars fahre). Als „weißer“ Käse, in Salzlake gelagert (ein Jahr ist zu jung und milchig, hatte ich gelernt, zwei Jahre ist besser. Stimmt), aus Ezine, einmal aus Ziegenmilch, zum Rakı, einmal in der „Lüks“-Version, Luxus, aus Schafsmilch. Dann der Salzlakenkäse als Tulum gereift, was von Bottich über Faß bis Tierhaut so ziemlich alles sein kann, was man sich an geschlossenenen Gefäßen vorstellen kann. Zuerst sehr kremig-schafsüppig aus Erzincan, dann ganz anders, fester in der Konsistenz, aus Bergama, wieder bröseliger im gescheckten Ziegenfell aus Kargı und schließlich, elastischer, der Ziegen-Tulum aus Izmir. Diese Käse stellen eine ganz eigene Welt dar, die ich auch erst anfange, einigermaßen zu begreifen, und es war ein Vergnügen, sie mit Euch einmal mehr zu erforschen.

Evi Peynir4Ganz anders, da ein weniger historischer Ansatz, die erstklassigen Käse von Buket Ulukut, einer jungen Frau, die bei Shai Selzer in Israel das Käsen gelernt hat und seit 2009 in Muğla ihren eigenen Ziegenhof führt, Tangala Peynirleri. Wenn ihre Tiere mit eigenen Zicklein beschäftigt sind, kauft sie Kuhmilch von Nachbarn, und so entstehen der Pelit und der Tangazola, die ich aus Bodrum mitgebracht hatte. Den Abschluss bildete dann, wiederum sehr traditionell, der Küflü („verschimmelt“) aus Konya, ein über ein Jahr alter Schafskäse, der in einem Sack reift und dabei Blauschimmel bildet. Ihr wart misstrauisch, aber dann doch interessiert. Und das ist das Wichtigste!

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Auch beim Wein, türkisch Şarap. Es gibt so viele großartige einheimische Sorten in der Türkei, und auch Produzenten, die daraus Spannendes auf die Flasche bringen. Wie etwa Resit Soley, ein Architekt, der 2002 das Weingut Corvus auf der Insel Bozcaada in der nördlichen Ägäis gründete. Euch gefiel sein weißer 2013 Karga aus Çavuş (und Moscato? Das muß ich noch in Erfahrung bringen) ebenso wie der 2013 Zelia aus Vasilaki. Wie auch der 2013 Kınah Yapıncak vom Weingut Suvla auf der Gallipoli-Halbinsel wirkten diese Weine erstaunlich frisch, ohne daß sie mit übertriebener Säure gespielt hätten. Wie die (endgültig) letzte Flasche des inzwischen wunderbar eleganten 2012 Vintage Chardonnay von Kayra aus Denizli alles sehr käse-affine Tropfen!

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Dann Rotwein: gerbstoff-seriös bei belebter Säure der Vinium Kahralahna von Corvus, fruchtbetont und munter der 2012 Vintage Öküzgözü von Kayra aus Elazığ, ganz im Osten Anatoliens („auf dem Mars“, sagen die Leute in Istanbul etwas abfällig). Und bevor das Ganze dann mit einem ganz und gar nicht käse- oder wein-verwandten Scheibchen Halva endete (eine freundliche Gabe des ausgesprochen freundlichen Käseverkäufers in Dvi, hier mit meiner großartig food-vernetzten Freundin Gamze Ineceli), gab es noch den 2010 Vintage Boğazkere von Kayra – wer bei dieser Eleganz noch Vorbehalte gegenüber türkischem Wein hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Aber das ist bei Euch HeinzelCheeseTalkern ja glücklicherweise kein Problem. Cheesio und danke.

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HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). 

Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Montag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

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