Heinzelnews für den Dezember 2024: Käse und Weißwein mit Sternenglanz, aus Portugal, und Gedanken zur Freiheit von Olivia Laing

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Zuerst einmal: danke, danke, danke für das große Fest der Cheese Berlin, das Ihr so mannigfaltig mitgetragen und gestaltet habt. Ich habe viele von Euch bei den Cheesewalks am Sonntag getroffen, Ihr wart bei den Cheesetalks am Samstag dabei, habt beim Exponat Käse Rinden studiert, am Slow Food Stammtisch verkostet, seid bei Meet the Käse in die Tiefe gegangen, habt bei Klartext Käse all die Fragen gestellt, die Euch schon immer am Käseherzen lagen und bei den Bühnentalks Euch auf neue Perspektiven eingelassen. Die Resonanz war wirklich überwältigend, aus der Nachbarschaft, dem weiteren Berliner Umfeld, ganz Deutschland, aber auch Frankreich, der Schweiz, den USA… Bei den World Cheese Awards in Viseu/Portugal zehn Tage nach unserem Käsefest kam noch einmal viel begeistertes Feedback – kurzum, über zehn Jahre Aufbauarbeit tragen Früchte. Jetzt denken wir bereits über 2025 nach! Das Datum steht schon mal: 9. November.

Viseu, Portugal: das bedeutete auch die Gelegenheit an die alte Bekanntschaft mit dem Serra da Estrela anzuknüpfen, dem einzigartigen Käse aus dem Sternengebirge. Serendipity führte mich zuerst an den Stand der Queijaria do Armindo, zu Alexandra und ihrer Tochter, und dann am nächsten Tag tatsächlich in die Käserei ihrer Eltern in Cativelos bei Gouveia. Ihr erinnert Euch, 2018 war ich schon einmal im Sternengebirge unterwegs (hier ist mehr dazu), dachte, ich hätte alles begriffen, nur um bei diesem Besuch das Gegenteil festzustellen…

Alexandras Vater Armindo hat vor knapp 50 Jahren mit 12 Bordaleira-Schafen angefangen, sich das Geld dafür geliehen, und dann sukzessive seine Käserei aufgebaut, zusammen mit seiner Frau Alice. Heute melken sie 180 Schafe und Alexandra und ihr Bruder Marco haben sich letztes Jahr entschlossen, den Betrieb zu übernehmen. Tagesproduktion: fünf bis sechs Käse. Allerdings jeden Tag. Die handgemolkene Milch wird mit Salz und einem Auszug von Distelblütenblättern gemischt und dickgelegt, der Bruch zuerst mit Muskelkraft in Tüchern ausgepreßt, dann in Formen in einer Presse, bevor die runden Käse im Reiferaum täglich gewendet und mit Salzwasser abgewischt werden, umhüllt und gestützt von Leinenbandagen, die täglich gewechselt werden. Nach 30 Tagen sind sie wie auf dem Foto amanteigado, buttrig, nach 45 Tagen curado, gereift, und somit fester. So oder so legen sie einem die ganze wilde Schönheit der Serra da Estrela auf die Zunge und in die Seele. Bei den World Cheese Awards wurde das verdientermaßen mit Super Gold bewertet – und ich hoffe sehr und arbeite daran, Alexandra und ihre Käse nächstes Jahr auf der Cheese Berlin dabei zu haben.

Zum Serra da Estrela gehört für mich Encruzado, der Weißwein aus Dão, dem Anbaugebiet rund um das Sternengebirge, von Granit geprägten Böden, wobei mehr oder weniger Lehm als Auflage für Ausgewogenheit auch in trockenen Jahren sorgt, Höhenlagen um 500 Meter für Frische. Den Druida von Nuno Mira do Ó kenne ich schon länger, weil es ihn hier gibt, und dieses Mal hat er sein Reifepotenzial als 2015 in der Magnum demonstriert (ist schließlich bald Weihnachten…;). Da sind Zitrusblüten, viel Stein, eine gewisse Öligkeit und dabei doch Leichtigkeit; er begegnet der dichten Kremigkeit und Fülle der superkonzentrierten Schafsmilch ebenso auf Augenhöhe wie die Tiere selbst sich zwischen Ginster, Obstbäumen und Kiefern auf den Bergweiden bewegen. Käse und Wein sind Ausdruck menschlichen Lebens in und mit dieser Landschaft.

Was mich zu dem Buch Everybody – A Book About Freedom der britischen Autorin Olivia Laing bringt. Da geht es (in äußerst lesbarem Stil) um die Freiheit, im und mit dem eigenen Körper leben zu können, von den Verfolgungen im Dritten Reich über Martin Luther King bis zu Black Lives Matter, und Laing schreibt im letzten Kapitel:

I think the weight of history abides in our private bodies. Each of us carries a legacy of personal an inherited trauma, operating within an unequal grid of rules and laws that depends upon the kind of body we were born into […] Freedom doesn’t mean being unburdened by the past. It means continuing into the future, dreaming all the time. […] Imagine, for a minute, what it would be like to inhabit a body without fear, without the need of fear. Just imagine what we could do. Just imagine the world that we could build.

Ich wünsche Euch ein gutes Jahresende und einen ebenso guten Anfang.

PS Hier ist noch ein bißchen was zu lesen von meiner Wenigkeit, über die Bodensee-Winzerin Teresa Deufel (Slow Food), Monastrell aus Jumilla und ein Weihnachtsmenü mit Weinempfehlungen aus Deutschland und der Schweiz (beides Vinum).

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