Schwer zu glauben, aber doch wahr: der Salon du Fromage, die große Fachmesse in Paris, fand statt. Ich war dort, logisch. Und hatte Euch aus den Pariser Fromageries einige spannende Käse mitgebracht, wie in Vor-Corona-Zeiten… Was tut sich so in Sachen Käse in Frankreich? Damit beschäftigten wir uns bei diesem Heinzelcheesetalk – unter leicht akustisch erschwerten Bedingungen, und an einem anderen Standort (danke für Euer Verständnis – im Moment scheint alles schwerer).
Wir begannen, trotz allem, oder vielleicht gerade wegen der allgemeinen Weltlage, mit Champagner von Lilly Bollinger, die ihre eigenen Bubbles bekanntlich als Therapie in allen Lebenslagen heranzog. Nun denn. Dazu die kleinen, leicht trocken gereiften „Hosenknöpfe“ aus Ziegenmilch von Marie-Anne Cantin, vielleicht meine Lieblingsapéro-Käse (kein Bild, paßten wie abgezählt ;), und wie alle Käse des Abends aus Rohmilch, au lait cru.
So richtig los ging es dann mit dem ziegelförmigen Sakura, mit einem Kirschblatt in der Mitte, von Quatrehomme bzw. Fabrice Aznarez aus dem Poitou. Schwer zu sagen, ob sich das Blatt aromatisch auswirkte, aber auf alle Fälle war es ein sehr feiner, dichter Ziegenkäse. 2019 Acrollam blanc von Mesquida Mora aus Mallorca (das mit drei Weinen sozusagen eine Art Sidekick war, weil ich mich gerade damit beschäftigt hatte), aus Prensal mit Giró Ros, rund und frisch zugleich mit reifer, saftiger Säure fing sowohl ihn als auch den folgenden Cerceau de bufflonne sehr schön auf. Dieser mit einer Keller-Naturrinde gereifte, toffeeartig schmelzende kleine Käse aus Büffelmilch stammte von Bailly Blain in Savigny en Sancerre, wo seit einiger Zeit einige Büffelkühe neben den Ziegen gehalten werden. Es folgte ein Sprung auf das vulkanische Hochplateau der Auvergne: der Salérac von Marie Sévérac ist mit 700g ein Mini-Salers und spiegelt mit etwa vier Monaten Reife die ganz besondere Geschichte dieser Landschaft und der rotbraunen Salers-Rinder erdig, lebendig und leicht krümelig bestens wieder.
Danach eine Reihe von Tommes, Alpkäsen aus den Pyrenäen, aus Kuh-, Ziegen- und Schafsmilch, von Laurent Dubois und Frescolet (einkaufstechnisch) bzw. der Familie Ossiniri und der Ferme Lanset. Dazu in den Gläsern zuerst der recht üppige weiße 2020 Macià Batle (Prensal/Chardonnay/Moscatel) und dann der sehr elegant gereifte, an Burgund/Hermitage/Barolo erinnernde rote 2017 Àn von Anima Negra, aus Callet.
Wir blieben beim Schafskäse, denn das war ein deutlicher Trend in den Käsetheken. Zuerst der wie ein Vacherin Mont d’Or mit einem Fichtenrindenring umhüllte Claousou aus dem Lozère, am Fuße der Pyrenäen, mit diesem wunderbar aromatischen Hauch von Harz am äußeren Rand und zum Fingerlecken kremig. Dann ebenso üppig, aber säuerlicher und etwas fester aus Korsika ein „nackter Brin d’Amour“, also ohne Kräuter – wahrscheinlich würde er in Korsika selbst als Marsulinu bezeichnet werden. 2014 St Emilion Grand Cru vom Château Clos des Prince wirkte dazu anfangs etwas herb verschlossen, öffnete sich dann aber zu einem wahrhaften Klassiker. Zum buchengeräucherten Barralet Fumat der Bergerie de Cazes Hauts (nach Art des goralischen Ozypek) harmonierte er überraschend gut.
Schließlich, dem zweiten auffallenden Trend geschuldet: Käse-„Pâtisserie“. Roquefort au Coing von Laurent Dubois gefiel Euch allen gut, nicht zuletzt weil es ein Spitzenkäse war und die Quittenpaste ebenfalls hervorragend. Der Nougat de Vieux Gouda von Griffon war weißem Nougat nachempfunden mit Pistazien und Mandeln, der Käse wahrscheinlich geschmolzen und in der Textur etwas grisselig – manche mochten das, andere eher nicht. Und braucht man es? Beim Wein gab es hingegen nur freudige Gesichter: 2016 Cadillac vom Château Tanesse, ein Süßwein aus botrytisierten Sémillon- und Sauvignon blanc-Trauben war von einer seelenstreichelnden, schmelzigen und dennoch säurebelebten Honigsüße, die uns allen (und dem Käse) guttat. Der 2020 Sobernheimer Riesling von K.H. Schneider von der Nahe schließlich wirkte danach sehr schlank und wunderbar erfrischend. Wie immer danke für Eure Gesellschaft und das Miteinander.
HeinzelCheeseTalks finden (hoffentlich weiterhin regelmäßig!) rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!