Heinzelcheesetalk #51: Liberté, égalité, fromage! Freitag, 13. Juli 2018

Freiheit ist großartig, Gleichheit auch (so lange nicht alle gleich sein müssen), aber die Brüderlichkeit müssen wir auf Schwesterlichkeit ausdehnen, vor allem, wenn es um Käse geht. Und das mit den Bürgerlichen und den Laternen… nun ja. Aber ansonsten: vive la France, parlons du fromage! Weil es Sommer ist, haben wir uns vor allem mit den kleinen, gereiften, rindenrunzeligen Käsen beschäftigt. Viele, aber beileibe nicht alle aus Ziegen- und Schafsmilch. Dazu, bien sûr, des vins français.

Wir begannen mit des bulles en rosé, erfrischendem Crémant von Grand C aus dem Elsaß und ein bißchen Backgroundwissen zu den kleinen Käse, die vor allem durch Säuerung und weniger durch die Zugabe von Lab entstehen und typischerweise in kleinen Mengen für den eigenen und lokalen Bedarf gemacht wurden. Am bekanntesten sind die Ziegenkäse von der Loire wie der Crottin de Chavignol, möglich ist das mit allen Arten von Milch, wie der St Marcellin aus der Dauphiné demonstrierte (für den allerdings früher auch ein variables Gemisch von Kuh, Ziege und Schaf verarbeitet wurde – was immer auf den Höfen anfiel).

Dann, zum weichen und doch nicht schweren, sehr käse-affinen Rosé von La Tour Boisée aus dem Minervois: La Tour du Bonheur, ebenfalls aus dem Département Isère. Den hatte ich wie eine Reihe anderer Käse von der großartigen La Fromagerie aus London mitgebracht, und er war auch mir neu; ein kleines geschichtetes Türmchen aus Kuh- und Ziegenmilch mit dünnen Ascheschichten dazwischen und eher trocken gereift. Sehr fein ausgewogen in Würze und Säure! Es folgten Pélardons aus den Cévennes (von den ebenso wunderbaren Maître Philippe et Filles hier in Berlin), Ziegen-Klassiker aus dem Languedoc, in zwei ganz subtil unterschiedlichen Varianten, deutlich salziger und charaktervoller.

Auch der Valençay aus der Touraine, die geköpfte, geaschte Pyramide, ist ein Klassiker, und diese war in Hochform, begann ganz leise und hatte dann soviel zu erzählen, ohne je laut zu werden. Ziemlich kongenialer Partner im Glas: 2015 Le Rochefer von Agnes und René Mosse aus dem Anjou, einer ihrer besten Chenin Blanc. Gleichermaßen ruhig und präsent, ein wenig flintig in der Nase und eher rund im Geschmack… Die beiden allein hätten uns einen ganzen Abend beschäftigen können.

Der flache Cathare mit dem Katharenkreuz und der vergleichsweise große, zylinderförmige Charolais zeigten dann, wie entscheidend auch die Form auf den Verlauf der Reifung ist. „Ein Traum“ als Begleiter (wie mir bei Maître Philippe gesagt wurde und wir jetzt bestätigen können!) der 2015 Bourgogne Chardonnay aus den Côtes d’Auxerre von der Domaine d’Edouard, ganz Eleganz und Anmut. Der Banon aus der Provence ließ uns erschmecken, was passiert, wenn die kleinen Käse nicht ausdünsten und trocknen: er wird zum Reifen in Maronenblätter gehüllt und hatte in diesem Fall etwas Schimmelkulturen wachsen lassen, war beinahe flüssig in der Textur und schmeckte robust und animalisch. Serendipity bescherte uns dazu im Glas wiederum einen kongeniales Gegenüber, den seidigen 1903 von Le Roc des Anges, von auf Schiefer wachsenden, über 100jährigen Carignan-Reben im Roussillon… merci Marjorie et Stéphane!

Als Joker und weil Ihr alle so aufgeschlossen wart (selbst Stanislav, sonst erklärter Ziegen-Skeptiker, probierte sämtliche Käse – chapeau!), schickte ich zwei über ein Jahr gereifte kleine Piemonteser Ziegenkäse in die Runde, die bereits hart und runzlig waren, als Guffanti sie mir auf der letzten Slow Food Cheese in Bra im September 2017 überreichte. Sie hatten seitdem in meinem Kühlschrank auf den passenden Moment gewartet. Der eine zeigte, wie extrem Fettsäuren schmecken können, scharf wie Pfeffer, der andere war mit ein wenig Trester raffiniert und durchaus noch rund zu nennen. Die kleinen dreieckigen Boucaniers Fumés, über Buche leicht geräucherte Ziegenkäse aus der Provence, wurden ähnlich kontrovers diskutiert, und wir waren alle froh, daß uns der birnenspeck-aromatische, fein gereifte 2011 Savagnin von der Domaine de La Pinte aus dem Jura wieder ins halbwegs „Normale“ zurückholte.

Der löffelweiche, köstliche, alles andere als anstrengende Pérail de L’Aveyron aus der süß-üppigen Mich derselben Schafherden, die auch für Roquefort sorgen, war ein echtes Friedensangebot. Wir schlossen mit einem zweiten Schafskäse ab, dem Lingot der griechisch-orthodoxen Mönche des Klosters St Nicolas de la Dalmérie im Hérault. Der zeigte nicht nur, wie auch kleine Schafskäse mit der Reife kräftiger werden, sondern auch, daß viel Thymian auf den Weiden tatsächlich im Käse zu erschmecken ist! Nordischer Abschiedsschluck dazu: der Poiré von der Ferme de L’Yonnière, ein fruchtiger, naturvergorener Birnencidre. Justine Simonklein und Jérome Forget waren für den Marché Français extra aus der südwestlichen Normandie nach Berlin gereist und bei Monsieur Collard zu Gast. Frankreich-erfüllt (und das ganz ohne Fußball!) trennten wir uns – Ihr wart eine tolle Runde, merci et à bientôt, mes chers amis.

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

 

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