Es gab einmal eine Zeit, da war der Winter ein ruhiger. Zuhause sein, Ein-Igeln, Atem holen von den Reisen im Sommer… Alles ändert sich, muß sich ändern, das auch: nach Vietnam im Dezember war ich im Januar in Sizilien.
Denn wie könnte ich nicht, wenn sich Fabrizia Lanzas großartiger Cook The Farm-Studiengang eine ganze Woche lang sizilianischem Käse widmet, Hirten, Schäfer, Käser besucht, mit Piero Sardo, dem erklärten Käsespezialisten der Slow Food Foundation diskutiert?!? Und das alles zwei Autostunden von Palermo entfernt, auf dem Weingut Regeleali bzw. Tasca d’Almerita…
Sizilien ist wunderschön, aber auch hart, bis Ende der 1970er haben sich die Städter hier nur bewaffnet aufs Land getraut. Glücklicherweise hat sich das längst geändert. Ich hatte Euch sowohl Geschichten als auch Käse mitgebracht, an „unseren“ Tisch in der Markthalle Neun, gegenüber vom Weinstand der Suffköppe.
Zuerst einmal: Ihr wart eine tolle Gruppe, mit (positiv) überraschend vielen neuen Gesichtern. Wir starteten mit einem unfiltrierten, knochentrockenen Prosecco Frizzante von Monteforche, den mir Mr Mozzarella Alessandro empfohlen hatte – zu Recht, fanden wir. Dazu der Adamantea Musciu aus Agrigento, ein Weichkäse aus der Milch der Girgentana-Ziegen mit ihren dekorativen Korkenzieher-Hörnern. Dann noch ein erfrischender Wein-Einschub, Pecorino (ja, das ist auch eine mittelitalienische Rebsorte), aus den Marken, mit dem Tuma Persa, einem schlau gemachten Kuhmilch-Hartkäse, der mit Pfeffer und Öl eingerieben wird, um endlich auch im Glas in Sizilien anzukommen: Wernher hatte den sonnenwürzigen Fiano Ciaca Bianca von Mandrarossa mitgebracht. Sehr käse-affin, wie sich mit der Vastedda del Belice zeigte, dem wahrscheinlich einzigen Pasta Filata-Käse aus Schafsmilch, der mild und leise, aber keinesfalls langweilig schmeckt.
Wir widmeten uns weiter den Pasta Filata-Käsen, die einen großen Teil der sizilianischen Käse ausmachen. Zuerst ein Provolone aus den Nebrodi, fein säuerlich und überraschend ausdrucksvoll, dann Ragusano, einmal 12 und einmal 36 Monate alt. Beide stammten von großen, über 30 Kilo schweren Quadern, und wie alle Käse an diesem Abend aus der großartigen alten Salumeria Armetta in Palermo (wenn Ihr in Palermo seid: un-be-dingt hingehen – und Platz im Gepäck haben!). Hier konnte man die Schichten des gezogenen, gekneteten Käse nur noch ahnen, der 12monatige Käse war elegant, der 36monatige erinnerte Euch an Karamell und Parmesan, mich auch an alten, gereiften Bauerngouda. Dazu erkundeten wir wunderbar mineralischen, säurebestimmten weißen Ante aus Carricante vom Ätna von den I Custodi um Salvatore Foti, dann den erfrischend herben (sgrassante, entfettend, nennen die Italiener solche Weine, wie auch Lambrusco zu Parmesan und Parmaschinken) Frappato von Manenti.
Schließlich, endlich, dreimal Pecorino. Zum runden, gereiften Rosso di Marco, einem Pignatello von Marsala-Champion Marco de Bartoli, den mit drei Monaten viel zu jungen von Filippo vom Caseificio Privitera (rechts auf dem Bild), der aber sein ganzes Potenzial erkennen ließ – irgendwann muß hier jemand einfach mal einige Laibe kaufen und Filippo zum länger reifen zwingen… Es folgte winterwärmender Nero d’Avola von Manenti zu dem safrangelbleuchtenden Piacentinu (der auch Maiorchinu genannt wird), und schließlich, von allen eindeutig zum Höhepunkt des Abends erklärt, der acht Monate gereifte Pecorino von Totò, dem Schäfer und Käser der Familie Tasca auf Regaleali.
Den es leider nicht zu kaufen gibt… worüber uns der Pistus der Custodi im Glas hinweg tröstete, aus Nerello Mascalese und Cappuccio, komplex und spannend ohne jegliche aufdringliche Schwere. Das paßte hervorragend zu Totò’s Käse mit seinem intensiven Umami-Charakter, der uns an Pilze, Schinken und Rauch erinnerte…
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, dann werden die Plätze am Tisch auf Reservierung vergeben. Oder aber Ihr versucht es direkt hier: wer schnell genug ist, ist dabei! Bitte sagt aber Bescheid, wenn Ihr dann doch nicht kommen könnt – es gibt immer eine Warteliste. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!