Camembert hat zumindest hier in Deutschland ein schweres Los: oft wird er in geschriebener Form zu „Camenbert“ verunstaltet und sprachlich zu „Kamonbehr“ (oder so ähnlich). Geschützt ist er im Gegensatz etwa zu Comté und Roquefort als solches nicht, erst der Zusatz de Normandie, also eine Heimat ganz im Norden Frankreichs, stellt seine Herkunft sicher. Die Folge davon: alles, was annähernd weich und rund sowie innen halbwegs gelb und außen weiß ist als Käse, schmückt sich mit seinem Namen.
Doch geht er tatsächlich auf jenen kleinen Ort zurück, in dem einige wenige Käserhände bis heute den Käsebruch mit der Kelle in die Formen schöpfen: moulé à la louche. Gemeinsam haben wir in diesem HeinzelCheeseTalk Camembert in all seinen Formen tatkräftig ergründet, von superhandwerklich bis extrem kommerziell. Und gleichzeitig erforscht, ob dies tatsächlich ein derart schwieriger Weinbegleiter ist, wie immer wieder behauptet wird. Kurze Antwort: stimmt gar nicht.
Die lange bestand unter anderem aus feinherbem Mosel-Riesling (super), einem nordspanischen Weißwein aus Muscat und Macabeo mit einem sehr spannenden Touch Gerbstoff, der ihn ausgesprochen käsefreundlich machte (danke Wernher!), der letzten Flasche des wunderbaren unfiltrierten Spätburgunders von Hubert Lay (köstlich, zum Käse allerdings gemischte Reaktionen am Tisch) sowie dem eleganten und doch gerbstoffgeladenen Kayra Bogazkere (und zumindest dieser Ost-Anatolier zeigte, daß die traditionelle französische Empfehlung von „vins souples, fruités et élégants“ absolut ihre Berechtigung hat).
Da hatten wir bereits den Höhepunkt des Abends erreicht, Rohmilch, fermier, mit einer tiefen Umami/Pilznote unter dem allgemein charakteristischen Ammoniak: Janier von Maître Philippe war Euer und mein Favorit. Am entgegengesetzten Ende der Skala hatte es drei mehr oder weniger industrielle deutsche „Camemberts“ aus dem Supermarkt gegeben, von denen der Rügener Badejunge als sehr angenehm durchging und der Demeter von ÖMA aus dem Allgäu auch gut schmeckte. Vom Big Player Le Président kamen drei verschiedene Käse: „L’Original“ (nett), „L’Aromatique“ und der „Camembert de Campagne, toujours fait à coeur“. Die letzteren beiden waren merkwürdig weich, die Rinde ungewöhnlich gelb, was uns zu einer Diskussion der unterschiedlichen Kulturen veranlaßte und schließlich einen Ausflug in die Camembert-Herstellung als solche.
Schließlich sorgte das internationale Käse-Netzwerk für einen zusätzlichen Kandidaten auf unseren Tellern und Zungen: dank der Transportdienste von Jason Donnelly vom New Yorker Käse-Emporium Murray’s, der gerade aus dem Allgäu in Berlin angekommen war, landete ein Laib von Arturo Chiribogas Camembert auf dem HeinzelCheeseTalk-Tisch. Ja, ganz genau, von dem Ecuadorianer in Bayern mit diesem superwahnsinnssüßkremigen Blauschimmelkäse… und sein Camembert schmeckt genauso klasse, wie ein Schluck richtig guter frischer Sahne. Mit dem französischen Original hat er natürlich bis auf die Weißschimmelrinde nicht das geringste gemeinsam – aber wen störts? Cheerio und cheesio, Euch allen Dank, besonders auch an meinen Lieblingskäsefotografen Manuel Krug, der diese fantastischen Bilder gemacht hat. Vive le Camembert…
HeinzelCheeseTalks finden einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, dann werden die Plätze am Tisch auf Reservierung vergeben: wer schnell genug ist, ist dabei! Bitte sagt aber Bescheid, wenn Ihr dann doch nicht kommen könnt – es gibt immer eine Warteliste. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zehn Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!