Heinzelwein-Dreier im Juli 2018: Encruzado, Riesling und Robert Macfarlane

Dies ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

In diesem Heinzelwein-Dreier möchte ich drei persönliche Entdeckungen mit Euch teilen – zwei eher überraschende, und eine, die vorauszusehen war. Beginnen wir mit letzterer. Die Rieslinge vom Weingut Von Othegraven in Kanzem an der Saar. Ja, das gehört Günther Jauch, und ja, wir wissen, daß Andreas Barth ein ziemlich guter Weinmacher ist. Trotzdem hat mich die Kollektion 2017 in ihrer Gesamtheit wahrhaft umgehauen – soviel Ausdruck, soviel Geradlinigkeit und dabei soviel Vergnügen.

Am erstaunlichsten zum baldigen Genuß war der feinherbe Wawerner Riesling: zuerst reduktiv verschlossen, dann gelbfrucht-gelee-artige und doch auch nougatkremige Wonne, Tiefe und Leichtigkeit zugleich, viel besser als jede Menge Desserts und dabei herb wie gelbe Grapefruit, also weniger süß… Ihr merkt schon: große Heinzelwein-Empfehlung! Jetzt trinken oder zehn Jahre aufheben. Frische Erdbeeren dazu.

Dann die wahre weinige Überraschung: Encruzado, eine autochthone weiße Rebsorte, die es quasi ausschließlich im Dão im Zentrum Portugals gibt. Ist mir auf meiner Käse-Recherche-Tour zum Serra da Estrela begegnet, und es war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Die Frische sehr reifer Zitronen, aber nicht das Sauerspritzige, sondern die aromatische Tiefe der Öle, die in der Schale sitzen, und auch hier wieder etwas Herbes in der runden Säure, das dann in harzig-balsamische Noten übergeht.

In Berlin habe ich den 2016 Ribeiro Santo des Spitzen-Önologen Carlos Luca aufgetrieben – und war glücklich. Einfach so, zum Fisch, zum Käse… aber immer wie ein Sonnenstrahl, der auf eine reife Frucht, durchs grüne Laub, auf Blüten fällt. Trotz aller Widerwärtigkeit soviel Schönheit um uns herum.

Was mich zum poetischen Teil dieses Dreiers bringt – denn Ihr erinnert Euch, die Idee für diese Serie liegt darin, daß es vieler Ausdrucksformen bedarf, um die Welt um uns herum zu begreifen. Vor einiger Zeit habe ich Robert Macfarlane und seine Bücher für mich entdeckt. „Karte der Wildnis“ ist in einer wunderschönen Ausgabe bei Naturkunden/Matthes & Seitz auf deutsch erschienen. Darin erkundet der englische Gegenwarts-Romantiker die letzten unberührten „wilden“ Ecken der Welt und zeichnet seine Gefühle und Reaktionen auf. Er beschäftigt sich damit, wie geographische Karten unsere Wahrnehmung der Realität beeinflussen (über Twitter teilt er beinahe täglich alte, beinahe verschwundene Wörter). Manchmal erinnert das ein bißchen an William Wordsworth, ist aber weniger poetisch.

Macfarlane segelt auf den Spuren der ersten Mönche auf die nordwalisische Insel Ynys Elli und spricht von einer „zentrifugalen Kraft, die die Menschen an die äußersten Ränder Europas und darüberhinaus trug… diese abgelegenen Orte ein Spiegel der Gemütsruhe und Entsagung.“ Er zitiert George Bernhard Shaw, der über die Insel schrieb: „Dieser Ort gehört zu keiner Welt, in der du oder ich jemals gelebt oder gewirkt hätte. Er ist Teil unserer Traumwelt…“

Dann denkt er über das Leben dieser Mönche in der Einsamkeit nach und wie sie die Natur beobachteten. Viele betätigten sich als Dichter und Schreiber, und was mich am meisten anrührte und den großen Bogen zu den beiden Weißweinen (und vielen anderen Wein-Momenten) schlägt, war Folgendes:

„Ein Schreiber aus dem 10. Jahrhundert, der auf einer Insel im Kloster lebte, unterbrach seine Tätigkeit gerade so lange, um neben den lateinischen Text eine kurze Notiz auf Gälisch zu kritzeln:

Mich erfreut, wie die Sonne heute glänzend auf die Seiten fällt.“

Erfreut Euch der Sonne, des Duftes, des Leuchtens.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, ganz unterschiedlich, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, in Gedichtform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein begegnet mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr ihn hier (Bezugsquellen, fragt Ihr? Entweder direkt vom Erzeuger, oder Ihr befragt unseren guten Freund, das Internet ;-). Cheerio.

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