Heinzelcheesetalk #96: Weiß und cremig. Freitag, 20. Januar 2023

Ein neues Jahr. Daß es ein möglichst frohes wird, dafür sind wir nach meiner Erfahrung vor allem selbst verantwortlich. Den großen Unwägbarkeiten und Widrigkeiten können wir nur den latenten, alltäglichen Widerstand vieler kleiner Entscheidungen und Momente entgegensetzen. Trübsal hilft gar nicht…

Also: weiße Weihnachten war nicht (außer Ihr wart tatsächlich ganz woanders) – dafür beschäftigten wir uns bei diesem Heinzelcheesetalk mit leuchtend weißem, sahnig-cremigem Käse in all seinen Variationen! Vom Frischkäse bis zum Triple Crème, von Brandenburg bis nach Paris. Was gibt es, wie unterscheiden sich diese Käse, wie sind sie entstanden? Dazu gab es, selbstverständlich, ein paar spannende, weiße Weine (und einen roten).

Natürlich begannen wir mit Bubbles, Pinot Blanc Brut, ein Crémant d’Alsace von Grand C (danke Suff!), dazu zum Eintarieren handelsüblicher Doppelrahmfrischkäse: angenehm, unauffällig. Viel mehr Charakter und Struktur brachte dann der nicht aufgerahmte, sondern einfach nur Jerseymilch-typische üppige Frischkäse von Urstrom aus Baruth mit, während die kleinen, mineralisch würzigen Cabrions aus Ziegenmilch zeigten, wie aus Frischkäse a.k.a. festem, leicht gesalzenem Quark Frischkäse werden, a.k.a. nicht gereifte kleine Käse. 2021 Blauer Silvaner von den Trockenen Schmitts aus Randersacker/Franken war ähnlich herb und schlank im Glas. Er begleitete uns auch beim sehr frischen, krümeligen Gaperon aus entrahmter Kuhmilch, bei dem Ihr sofort den Duft von Knoblauch und die Pfefferwürze wahrnahmt – eine Methode, um den fehlenden Aromaträger Fett zu ersetzen.

Der Gaperon hatte eine hauchdünne Rinde aus Weißschimmelkulturen, doch der geht bei der Entwicklung von frischem zu „richtigem“ Käse das Entsäuern durch Hefen voraus. Das ließ sich sehr schön an den nächsten drei Käsen mit ihren schrumpeligen, elfenbeinfarbenen Rinden erkennen: St Félicien (Kuh, sehr flüssig, da als „caillé doux“ mit viel Lab dickgelegt, nach hinten scharf), Pélardon (Ziege, ebenfalls beinahe flüssig, deutlich mehr lebendige Säure) und Pérail de l’Aveyron (Schaf, sehr cremig und üppig, die Schärfe der Reife erst ganz hinten spürbar). Der 2019 Bianco Pomice der Tenuta di Castellaro von den Äolischen Inseln, aus Malvasia und Carricante, glich die leichte Schärfe ganz wunderbar durch seine südlich-geschmeidige und doch nicht schwere, duftige Art aus.

Dann ging es mit „richtiger“, an frische Champignons und Walderde erinnernder Weißschimmelrinde in die Champagne: der Chaource war dicht, als Rohmilchversion durchaus mit Ecken und Kanten in der Aromatik – was der rote (!) 2015 Quinta da Casa Boa aus Tinta Roriz, Touriga Nacional und Alicante Bouschet sehr gelassen und freundlich mit beinahe süßen dunklen Beeren und weichen Gerbstoffen auffing. Zum Käsejoker dieses Heinzelcheesetalks blieben wir mit dem zitrus- und rosenduftenden 2018 Encruzado Reserva von Druida aus Dao in Portugal; mein Lieblingswein zum Serra da Estrela, dem Schafskäse aus den Bergen im Zentrum des Landes. Wahrhaft cremig, mit einer großartigen Säure und einem wunderbaren Hauch von Bitter, der indirekt dem Dicklegen mit einem Auszug von Distelblütenblättern statt tierischem Lab geschuldet ist. 2019 Krone-Riesling von Martin Tesch von der Nahe tanzte ebenfalls sehr beschwingt dazu, pendelte sich aber auch zur abschließenden „Sahnetorte“, dem Dreifachrahmwunder Brillat Savarin ein, das Euch, uns, allen ein glückliches Lächeln auf die Gesichter zauberte (wenn das nicht längst passiert war). Der 2021 Moscato d’Asti Spatuss von Terrenostre krönte die Sahne mit einem Löffelchen Zitronenkrem… Danke Euch allen für diesen schönen Abend – bleibt froh!

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio – hoffen wir, daß die Welt zusammenhält und wieder zusammen findet.

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