Wir hatten uns ja schon im März, nach meinen Erkundungen der Pariser Käseläden etwas näher mit Käse aus Schafsmilch befaßt, und das wollte ich bei diesem Treffen noch vertiefen. Deshalb gab es: Pecorino. Ossau-Iraty. Ardi Gasna. Und eine Reihe anderer fester Schafskäse, auch vermeintlich Vertrautes wie den Pecorino Romano – ist der tatsächlich einfach nur eine günstige Alternative zum Parmesan? Natürlich nicht… Schafe sind keine Kühe (ja, wirklich ;).
Ich hatte also eifrig Käse gesammelt und im Keller nach interessanten Flaschen gesucht. Wir begannen rituell mit Bubbles von Suff, dieses Mal sehr fruchtig-duftig-vergnügt ein PetNat von Arno Schembs aus Osthofen/Rheinhessen, aus Muskateller und Sauvignon Blanc, dazu zum Einstimmen den (nicht ganz so festen) Lausitzer vom Milchschafhof Schafgarbe in Ogrosen. In Lake gereift und ziemlich salzig (was von der Säure im Wein noch verstärkt wurde), aber auch von der kremigen Üppigkeit der Schafsmilch geprägt. Denn die ist im Gegensatz zu Kuh- und Ziegenmilch beinahe doppelt so konzentriert, also quasi ein Super-Superfood. Bei dem folgenden sogenannten „Pecorino“ der Langenburger Schafskäserei kam das allerdings nicht so zum Ausdruck, er war leider die Enttäuschung des Abends.
Aber das Steinschaf, mein letztes Stück gereifter Hartkäse vom Milchschafhof Pimpinelle in Quappendorf bei Neuhardenberg im Oderbruch, ließ uns das schnell vergessen: er war sehr klar und geradlinig und elegant, mit wirklich langhanltender und doch ganz unaufdringlicher Würze. Eingeschenkt hatte ich dazu den Pecorino aus den Colline Pescaresi von Cirelli, eine autochthone Rebsorte aus den Abruzzen, die selbstverständlich bei unserem Thema nicht fehlen durfte; ein dezenter, angenehmer Begleiter.
Dann auch auf dem Brett zweimal Pecorino, von De Magi, einem toskanischen Affineur. Der Giovane (4 Wochen) war weich, milchig, leicht säuerlich, der Crosta d’Oro (6 Monate), laut Website mit Olivenöl gereift, mürbe bröckelnd und kräftiger. Aus einer vollkommen anderen Ecke kam der Sauvignon Blanc im Glas, nämlich der Touraine, Fabel Barbou von der Domaine des Corbillières, der uns alle mit seiner saftigen und doch sehr präzisen Grapefruitfrucht ziemlich begeisterte (und günstiger ist als vermutet). Er vertrug sich auch bestens mit dem eher jungen, weicheren und lebendigen kleinen Toma Corsica (3 Monate), dessen grauflaumige Naturrinde appetitlich nach frischen Champignons duftete.
Von Korsika machten wir einen großen Sprung in den Süden Polens, der Bukowina Tatra, wo Schafhirten noch echten geräucherten Oscypek aus der handgemolkenen Milch ihrer Tiere herstellen. Der frische Bruch wird in der heißen Molke mit den Händen geformt, ein ganz eigenen Methode, die ein bißchen in Richtung Filata-Käse geht, und dann in Formen gepreßt und geräuchert. Die Alte Milch-Crew war gerade von einer Expedition dorthin zurück gekommen, so daß wir diesen wirklich seltenen und sehr charaktervollen Käse erleben konnten. Zuerst dominierte selbstverständlich das Raucharoma, aber setzte sich beim Hinschmecken immer mehr die wundervolle Üppigkeit der Schafsmilch durch.
Doch dann ging es in die Pyrenäen, zuerst auf die okzitanische Seite, in den Naturpark der Grands Causses, karge Hochebenen, mit durch Einbrüche entstandenen Höhlen und Schluchten. Von dort stammte die Tommette des Grands Causses (4 Monate). Dieser Bruder des Bleu des Causses, ein halbfester Schnittkäse mit Naturrinde, demonstrierte sehr schön, wie diese ganze Familie ganz anders als die Bergkäse aus Kuhmilch nicht mit Frucht und Nussigkeit, sondern vor allem it Umami spielt. Der Chenin Blanc L’Insolite von Thierry Germain aus Saumur, als 2017 mit feiner Reife, begann eher leise, blühte aber mit dem Käse sehr auf (und war ein bißchen teurer als gedacht). Ardi Gasna, der „baskische Schafskäse“, der nicht von Hirten sondern in Käsereien produziert wird, vetrug sich in seiner festeren Art ebenfalls sehr gut mit dem Wein von der Loire.
Schließlich die zwei Stars aus den Pyrenäen (beide etwa 6 bis 8 Monate), Ossau-Iraty und Laruns Fermier, der eine eher rund, freundlich und etwas weicher, der andere ganz kompromißlos und charaktervoll. Ziemlich extrem dazu (und deutlich luftbedürftig) der sehr kraftvolle, barocke 2011 „Es ist wie es ist“ von Horst Sauer und André Macionga. Hochfarbig und etwas von edelsüßen Komponenten geprägt irritierte er uns zuerst, gefiel dann aber einigen von Euch sehr gut.
Zum guten Schluß (und ich war wieder einmal sehr beeindruckt von Eurer Ausdauer!) nahmen wir uns dann wie angekündigt Pecorino Romano (7 Monate) vor. Salzig und fest kommt dieser „Soldaten- und Auswanderer“-Käse heute vor allem aus Sardinien und ist es wert, in der Küche sehr experimentell erkundet zu werden – damit ich Euch nicht mit Wiederholungen langweile: hier findet Ihr mehr dazu. Zur „Erfrischung“ und Belohnung gab es dann noch den sehr eleganten 2018 Riesling Turmberg von Robert Weil aus dem Rheingau und einen feinen Cinsault der Domaine Homs, L’Amandier. Schön war’s mit Euch.
HeinzelCheeseTalks finden (nun hoffentlich weiterhin regelmäßig!) rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio – hoffen wir, daß die Welt zusammenhält und wieder zusammen findet.