Heinzelwein-Dreier für den April 2021: Wilde Weine und Fromages Sauvages

Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Un fromage sauvage, c’est un fromage issu de bons herbages.
Ein wilder Käse, das ist ein Käse von guten Weiden.

Augustin Denous, Fromages Sauvages

Es ist wie beim Wein: ein lebendiger Wein, das ist ein Wein aus gutem Boden. Was ist ein guter Boden? Ein lebendiger Boden, der sich dank unzähliger Lebewesen in und um ihn kontinuierlich erneuert. Beim Heinzelwein-Dreier geht es eigentlich immer um „wilde“ Weine voller Leben, aber heute ganz besonders, passend zu Ostern und dem zur Zeit allgegenwärtigen Gedanken um Leben und Tod, möchte ich Euch diese zwei Weißen vom Rhein ans große Weinherz legen.

2019 Rheingau Riesling Kabinett trocken von Aurelia Hamm aus Winkel: frisch wie die April-Luft, voller gelbgrünem Zitrusduft, so lebendig wie all die Blüten, all das Grün, das gerade sprießt und treibt und leuchtet. Saftig und schlank, spontan vergoren, begleitet statt gemacht. Und vor allem: Aurelia, die das Familienweingut seit fünf Jahren in der vierten Generation führt (seit kurzem wächst die fünfte Generation heran!) arbeitet mit Reben, die seit den 1970ern ökologisch bewirtschaftet werden, weil ihrem Vater das Chemiespritzen sehr früh sehr suspekt war und er bis heute lieber auf Natürliches zurückgreift.

2019 Orange Naked trocken von Carolin und Erik Riffel aus Bingen in Rheinhessen, beinahe genau auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins, entspricht noch mehr den gegenwärtigen Vorstellungen eines „wilden“ Weins: weiße Trauben (Gewürztraminer und Silvaner) mit den Schalen vergoren und unfiltriert abgefüllt. Feiner Rauch und Birnen im Herbst, Orangen-Rosen-Fülle, die Säure reif und rund, lang und tanninherb tragend. Viel Wein, und doch nicht schwer. Carolin und Erik Riffel arbeiten seit langem erfolgreich daran, die Böden ihrer Weinberge am und um den Scharlachberg mit neuem Leben zu erfüllen. Der Boden als die alles bestimmende Grundlage ihrer Arbeit mit den Reben und im Keller – in den Weine kommt das immer mehr zum Ausdruck.

Fromages Sauvages – Martin Kössler hat mir dieses Buch geschickt (danke!), in dem es um genau diese Verbindung, diese Bodenhaftung im wahrsten Sinne des Wortes beim Käse geht. Denn die ist beileibe nicht selbstverständlich, auch (und seit einiger Zeit leider: schon gar) nicht in Frankreich. Der Autor Augustin Denous ist ein junger Affineur und Fromager, der hier voller Leidenschaft Bauern und Käser zu Wort kommen läßt, die Landschaften, Weiden und die Tiere als Basis ihres Tuns begreifen und entsprechend handwerklich arbeiten.

Die Bauern in diesem Buch sind nicht nur Widerständler. Sie sind vor allem Träger einer allmächtigen und zeitgemäßen Botschaft. Unsere Verbindung zum Lebendigen muß wiederhergestellt werden. Es geht darum, sich bewußt zu machen, was wir essen und gehaltvolle Alternativen aufzuzeigen. Die Absicht von Fromages Sauvages ist nicht einfach nur ein schönes Buch, sondern ein Anstoß, eine Aufforderung.

Es freut mich ungemein, solche Stimmen beim Käse zu vernehmen, und ich kann Euch dieses Buch nur empfehlen. Leben entsteht nicht auf dem Reißbrett, nicht in der Marketing-Abteilung und nicht im 3D-Drucker. Sucht nach ihm, hegt und pflegt es – cheerio und cheesio.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, oft in Gedicht- oder Musikform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein und Worten begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: den Rheingau Riesling gibt es hier, den Orange der Riffels hier und Fromages Sauvages hier. Trinken, schmecken, lesen, denken, leben – leuchten! – müßt Ihr sowieso wie immer selbst – keep safe.

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