Nach dem erfolgreichen ersten Test-Run Mitte August ging es gleich weiter – schließlich besteht Aufholbedarf! Und ich wußte: es muß um Ziegenkäse gehen. Vielleicht war es die Erinnerung an meinen Besuch bei Sabine Ferrari im Juli letzten Jahres, die Fahrt durch die lavendelduftende Provence in brütender Hitze, um endlich zu begreifen, was es mit dem Banon tatsächlich auf sich hat. Oder die Aussicht auf einige Käse von Sabine Jürss, die in Münster die großartige Milch ihrer Scellebelle-Ziegen zu kleinen Schmuckstücken verarbeitet. Oder oder oder…
Ich hatte ganz unterschiedliche Ziegenkäse für Euch gesammelt – und es hätten natürlich noch viel mehr sein können. Cindy Jahnke war nicht vertreten, und die großartige Aurelie von der belgischen Ziegenkäserei Karditsel fehlte ebenso wie Silke Cropps Corleggy aus Irland. Aaaaber wir hatten Scellebelle! Und Capriolenhof, Ogrosen, Auenhof sowie eine Auswahl französischer Klassiker in Bestform aus dem Maître Philippe-Angebot…
Und wir hatten Wein, selbstredend. Wir begannen mit dem Chardonnay-Sekt von Fabian Mengel aus dem Norden Rheinhessens, ein aufmunternder, heiterer Schäumer und zur thematischen Einstimmung – was unterscheidet Ziegen und ihre Milch eigentlich von Kühen und Schafen – gab es den ebenso säurefrischen Joghurt vom Auenhof Pabstthum, dem neuen Projekt von Frank Porten und Kolleginnen bei Neuruppin. Deren weiße Ziegenrolle vereinte quarkige Frische mit an ersten Anklängen von kräftiger Reife, ein Phänomen, das wir dann anhand von drei Crottins unterschiedlichen Alters näher untersuchten. Zusätzlicher Unterschied: zwei der kleinen runden Käse kamen von Scellebelle aus Münster und waren typischerweise niedrig im Salz, der dritte, von der Loire, blätterte bereits in der Textur und wirkte deutlich „schärfer“ durch die Fettsäuren. Der mineralische Grauburgunder von Johannes Sinß von der Nahe kam damit jedoch bestens zurecht.
Cremige Pélardons aus den Cévennes im Languedoc demonstrierten, wie sich das Dicklegen der Milch durch die Zugabe von Lab auswirkt, statt ausschließlich mit Milchsäurebakterien zu arbeiten: die Säure tritt geschmacklich im Käse in den Hintergrund. Der herdfruchtige hellrote Uivo Renegado von Folios de Baco aus dem Douro im Norden Portugals, ein Field Blend aus über 25 weißen und roten Traubensorten, gefiel Euch allen dazu (danke Anaïs bzw. Maître Philippe!). Mit dem Charolais aus dem Norden Burgunds (wo es eben nicht nur Rinder gibt!) ging es zurück zu den „fromages lactiques“, wie die Kategorie der Frischkäse auf französisch genannt wird – das Aroma frischer Haselnüsse, das diesen Käsen gerne nachgesagt wird, kam hier ganz gut zum Ausdruck.
Es folgte dreimal Scellebelle: zwei runde Hügel, respektive mit Lavendel und Sarriette (einem Verwandten von Oregano und Bohnenkraut), zeigten, wie gut sich Kräuter in die Aromatik der gereiften Ziegenmilch integrieren, während der Aschehügel uns zurück zur „Purezza“ führte. Mit Asche bestäubt war auch das Köhlerlaibchen vom Capriolenhof, der eine gute Stunde nordwestlich von Berlin liegt, und dabei deutlich weniger lange abgetropft und abgetrocknet – es schmolz nahezu schwerelos auf der Zunge!
Inzwischen waren wir beim Rotwein, denn ich bin zwar ein Riesenverfechter von Weißwein zum Käse, finde aber gerade zu diesen gereiften Ziegenfrischkäsen Rote ebenso spannend. Zweimal 2015, nämlich die &-Cuvée von Fabian Mengel (Portugieser & Cabernet & Merlot…) und ein Barbera d’Asti, fingen die ersten herbstlichen Gefühle auf, aber auch die Käse. Trotzdem knackten wir danach noch einen Weißen, den mineralisch-würzigen, säuremunteren und doch runden Grauburgunder vom Muschelkalk von Peter Burens aus Saarburg, einer der wenigen Weine dieser Sorte, der einige Gramm Restsüße mit Stolz und Anmut trägt! Camembert und der blaue (naja, eher blauschwarze) Lausitzer vom Ziegenhof Ogrosen aus der Lausitz bei Cottbus, südöstlich von Berlin sorgten beim Käse für den Abschluß – und ja, frau hätte das selbstverständlich auch in einer ganz anderen Reihenfolge zeigen können, und das Ziegenkäsethema ist noch lange nicht ausgereizt, siehe oben! Keiner hatte richtig Lust zu gehen, deshalb gab es noch zwei „obstige“ Abschiedsschlucke: den süß-apfelig duftenden Malus X Feminam von der Cold Hand Winery (die nicht auf Lolland sondern im Norden Dänemarks liegt – sorry!) und den perlend-fruchtigen Pflaumenwein vom Gutshof Kraatz in der Uckermark. Zick zick hurra und cheesio – Ihr wart super. Danke.
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand (oder in dieser Ecke – coronabedingt müssen wir ein bißchen auseinanderrücken). Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!