Nach der Cheese waren wir so richtig schön warmgelaufen, hatten das fünfsinnige Hinschmecken intensiv trainiert, und viel dazu gelernt über Kühe und Milch, Ziegen und Menschen, Schafe und Berge. Käse, das ist wie das Leben an sich, eine Geschichte ohne Ende, die einen immer wieder voll und ganz in ihren Bann zieht, Körper, Seele und Geist reisen läßt. Zum Beispiel nach Italien.
Von den Alpen und Dolomiten im Norden am ganzen Apennin hinunter bis in Stiefelabsatz und -spitze und auf den Inseln Sardinien und Sizilien leben Menschen mit Tieren seit Alters her in enger Symbiose. Ergebnis: Käse. Frisch und gereift, weicher oder härter, mal dezent, mal deutlich lauter. Um über Entzugserscheinungen gar nicht erst nachdenken zu müssen, schmeckten und kosteten wir uns beim nächsten Heinzelcheesetalk durch diese wunderbare Fülle und Vielfalt.
Und weil in Italien mehr Reben als Hopfen wachsen, und zwar ebenso durchgängig von Nord nach Süd, arbeiteten wir uns auch da ziemlich systematisch vor. Daniela von Dresky und Marco Callegaro von der Cantine Sant Ambroeus, einer wahren Wein-Wunderkammer in der Hufelandstraße im Prenzlauerberg waren großartige, sachkundige Begleiter; zusammen hatten wir eher unerwartete Kombinationen ausgesucht.
Wir begannen mit feinsäuerlicher Robiola di Roccaverano aus reiner Ziegenmilch aus der Alta Lange im Piemont und sanftbröckeligem Büffelricotta aus Kampanien zu dem hefestoffigen PetNat Sortie aus Venetien und reisten dann mit Alp-Fontina aus dem Aostatal einerseits ganz nach Norden und mit dem historischen Marzolino del Chianti in die Toskana andererseits, begleitet von herbem und zugleich rundfruchtigem Riesling Italico, also Welschriesling aus Kalabrien. Mit dem ein Jahr gereiften Asiago aus Venetien und dem ebenso lange gelagerten, aber als Filata geformten Ragusano aus dem Südosten Siziliens folgten zwei ausdrucksstarke, aber vollkommen unterschiedliche Kuhmilch-Hartkäse. Der Banino Tranquillo war ihnen ein ebenso charakterstarkes Gegenüber, aus Barbera, Croatina und Uva Rara aus Mailand (!), elegant und saftig.
Zwei rotgeschmierte Weichkäse folgten, der eher ruhige kleine Steiner von Eggemoa aus Mühlwald in Südtirol, und säuerlich animierten Taleggio der Extraklasse aus der Lombardei, zusammen mit dem herblebendigen Valtolla Rossa von Croci. Dann der Soloauftritt des zwar mit sechs Monaten jungen und noch ganz weißen, aber doch beeindruckenden Castelmagno aus dem Südwesten des Piemont – il re, der König, wie er in Italien gern genannt wird. Dazu gehört klassisch Barolo, wir hatten uns jedoch für den dunkelstoffigen Kirnáo vom Etna in Sizilien entschieden, und Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio ergänzten den königlichen Auftritt hervorragend.
Es folgte eine Art Test für Euch alte und neue Heinzelcheesetalker: wie offen und unvoreingenommen seid Ihr wirklich? Denn Rauch verbinden viele automatisch mit Schinken und Fisch und schalten bei Käse auf naserümpfende Abwehrhaltung. Eher frische, weiche Scamorza affumicata aus Apulien und bröckelnd konzentrierter Pecorino Fiore Sardo zeigten, was für eine tolle Gruppe Ihr wart – und der tiefrote Renosu aus Sardinien, aus Cannnonau, Monica und Pascale di Cagliari tat ein übriges dazu.
Und schließlich zwei eher „liebliche“ Käse und ein balsamisch streichelsüßer Wein: Ficaccio, ein junger, weicher Schnittkäse aus Kuh- und Büffelmilch brachte uns nochmals nach Kampanien und das fruchtige Aroma der Feigenblätter des Cilento, der dichtcremige Blauschimmelkäse Blu al Ramandolo hingegen ins Friaul. Er reift mit Trester des dortigen Süßweins Ramandolo, und Marco hatte dazu Verduzzo mitgebracht, also genau einen solchen Wein – was uns alle sehr glücklich in die Berliner Novembernacht ziehen ließ, erfüllt von italienischer Wärme, Kultur, Geschichte und all den wunderbaren Aromen, in denen sich dies ausdrückt. Grazie a tutti e a presto, cari amici!
PS Diese Weine und noch viel mehr bekommt Ihr bei Marco und Daniela in der Cantine Sant Ambroeus, die meisten Käse bei oder über Viani.
PPS HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, meistens an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die (normalerweise) fünfzehn Plätze am Tisch werden (bis auf Ausnahmen wie in diesem Fall) auf Reservierung per Email vergeben. Cheesio!