Heinzelcheesetalk #66: No walls, the psychedelic side of cheese und eine Sneak Preview des Optimismus. Freitag, 25. Oktober 2019

Ja, das klang etwas durchgeknallt, unser Thema. Paßte aber zu den Geschehnissen vor beinahe exakt dreißig (30!!!) Jahren. Daß ich heute als ehemalige Westberlinerin im Schatten des Fernsehturms wohne, zeigt, daß beinahe alles möglich ist. Und deshalb war diese Sneak Preview auch eine Vorschau des Optimismus. Ich hatte Euch einerseits Käse mitgebracht, deren Macher Ihr entweder bereits kennt oder auf der diesjährigen Cheese Berlin kennenlernen werdet – George und Susan, Thilo und Jasper. Andererseits gab es solche von derart weit entfernten, abgelegenen Orten, daß es mehr als unwahrscheinlich scheint, die Menschen dahinter hier eines Tages persönlich bei uns zu haben: Julia und Adam, Lyndell, Akira… Aber – wer weiß. The psychedelic side of cheese… Die großartigen Käse von Jasper Hill haben wir schon mehrmals bei den Heinzelcheesetalks erschmeckt, irgendwann wird Mateo Kehler sie selbst präsentieren!

Wir begannen in Kanada, mit der Cuvée Catharine, einem Brut von Henry of Pelham aus Niagara, um gleich am Anfang auf Offenheit, Optimismus und fremdes Neues anzustoßen. Dazu paßte der Avalon Aged Raw Milk Cheddar von Five Brothers, Neufundlands einziger Käserei – wenn Adam und Julia tatsächlich irgendwann nach Berlin kommen, werden sie mit offenen Armen aufgenommen werden, das war klar aus Eurer Reaktion auf die dichte, feinsäuerlich anhaltende Würze!

Dann ein großer Sprung in unterschiedliche Richtungen, denn es folgten einerseits der runde, apfelmürbe und doch lebendige Shesh i Bardhe Kavaljon 2018 von Belba aus Albanien im Glas und zwei kleine Stücke Schnittkäse aus Kuhmilch von Akira Katayama und seiner kleinen Käserei Tak in Itoshima auf der Insel Kyushu in Japan; mit Kreuzkümmel wirkte er etwas gereifter und weicher in der Textur, ohne ausgesprochen elegant. Mit dem Wein verstanden sich beide gut – hoffentlich haben wir auch hier die richtigen Vibrations ausgesandt, um irgendwann Japan und Albanien bei uns begrüßen zu können…

Der 20000 Leguas, ein orange Chardonnay aus Spanien von den Suffköppen begleitete dann zwei „Natur-Käse“, die mit hofeigenen Starterkulturen gesäuert wurden: Deichkäse von der Hofkäserei Backensholz in Schleswig-Holstein und Keen’s Cheddar aus Somerset in Südengland. In ihrer „normalen“ Form gibt es sie beide bei Alte Milch – und da sind sie schon gut -, aber hoffentlich gibt es dieses Plus an Komplexität in dieser ausgeprägten Reife (beide knapp zwei Jahre!) bald öfter… Sneak Preview of Optimism.

Wieder ein großer Sprung: der feingliedrige, transparente Kékfrankos, also Blaufränkisch bzw. Lemberger von Peter Bakonyi aus Villany in Ungarn, der auf seiner Website schreibt: And of course I long for that feeling that words cannot describe, the empathy beyond understanding. Wine is: metacommunication, mirror, association of an image, experience, wall breaker, and divisive. Yes. Was auch zum nächsten Käse paßte, dem leicht geräucherten Oszypek aus der Hohen Tatra in Südpolen. Die echte Ware, aus Schafsmilch…

Aus superkonzentrierter, sahniger Jerseymilch hingegen und einer ganz anderen Ecke Polens, nämlich dem äußersten Masuren, dann mein letztes Stück von Frontiera. Bröckelig, pecorino-artig trocken, und doch, ganz hinten, die Sahne wieder aufsteigend. Ebenso gereift dazu, und ebenso zum ganz genau Hinhören, Hinschmecken, Hinsinnen, der 2003 Rosebud Riesling von Klaus Zimmerling aus Pillnitz bei Dresden. Auch so etwas, das es ohne die Geschehnisse vor 30 Jahren nicht gäbe…

Großer Sprung zurück nach Japan, diesmal im Glas, mit dem Tokubetsu Junmai-shu Hiyaoroshi Sake von Urakasumi. Ganz anders, für manche von Euch gewöhnungsbedürftig, aber dann in seiner weichen, vollen Umami-Konzentration zu dem rotgeschmierten kleinen Weichkäse von Michael Steiner/Eggemoa im Südtirol definitiv eine Erweiterung des Geschmackshorizonts.

Zurück nach Ungarn und dem Begriff von fremd und zugehörig ging es mit dem 2011 Barbár der Familie Heimann aus Szekszárd: Cabernet Franc, Merlot, Tannat und Kékfrankos. Auf ihrer Website steht: Als die Musik des weltberühmten ungarischen Komponisten Béla Bartók einmal als barbarisch beschrieben wurde, hat er als Antwort sein Allegro Barbaro komponiert. Diese eklektische Klavierstück harmonisiert hervorragend mit dem Wein Barbár: er ist stark und hat viel zu sagen, bleibt aber dabei elegant, sehr vielfältig und lebhaft. Der Mesta von Arteserena aus der Extremadura von dem Madrider Spitzenkäsehändler Cultivo ähnelte in seiner pastösen Art dem Serra da Estrela aus dem Zentrum Portugals, brachte aber durch die Rotschmiere und Reife eine zusätzliche Dimension ins schafsüppige Spiel – womit sowohl der Barbár als auch Ihr bestens zurecht kamt! Ihr wart sowieso große Klasse…

Zum Schluß pendelten wir uns schon ein bißchen in Richtung Weihnachten ein und stießen nochmal auf 1989 an: Serendipity hatte mir im Keller den 30-jährigen Tawny der Salomon Estate aus Südaustralien in die Hände gespielt. Feingereifte Traubensüße, die den Anflug von Blauschimmel von Lyndell Finlays Urban Blue aus Halifax in Nova Scotia (back in Canada!) umfing wie ein großer Knuddel-Teddybär, zum faßgereiften Ezine Beyaz Peynir von Cankurtaran aus Istanbul hingegen etwas herber.

Danke für Eure Begleitung auf dieser Sneak Preview of Hope and Optimism, denkt daran zurück, wenn Euch die Nachrichten aus der Welt das nächste Mal in Richtung Depression schicken wollen – und bis ganz bald bei der Cheese Berlin!

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

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