Liebe Heinzelcheesetalker – wir hatten uns ewig nicht gesehen, weil ich nach Anatolien und nach hier und nach dort mußte… Aber dann: Bordeaux.
Kennt jeder, oder? Alter Hut, beziehungsweise Wein… rot, teuer, unzugänglich, weil reifebedürftig. Oder, seltener, süß und ebenso teuer. Doch wie so vieles im Leben gehört auch unsere Vorstellung vom Wein von der Gironde, dieser langen Flussmündung aus Garonne und Dordogne zum Atlantik revidiert! Ja, klar, die berühmten Châteaux, die Schlösser (die in manchen Fällen eher kleine Häuschen sind), die gibt es nach wie vor, und Lafite, Labour, Mouton & Co sind nicht unbedingt billiger geworden, ganz das Gegenteil.
Aber neben diesen Gebietsspitzen ist dort soviel anderes zu entdecken. Das Entre-Deux-Mers zwischen Dordogne und Garonne ist ein grünes Paradies mit Hügeln und Hecken und malerischen Anwesen. In Blaye war ich bei einem Bioweingut und habe dort nicht nur großartigen Crémant de Bordeaux (Bubbles!!!) sondern auch einen fantastischen umgeschwefelten, unfiltrierten Cabernet Sauvignon erlebt…. und und und. All das – und es war beileibe nicht alles! – wollte ich Euch in diesem Heinzelcheesetalk als dringend fälliges Update zeigen (gilt übrigens auch für die Stadt Bordeaux: attraktiv, lebhaft, spannend).
Und natürlich hatte ich einen ganzen Koffer voller Käse von der besten Adresse der Stadt mitgebracht: Fromagerie Deruelle. Viel aus dem Südwesten (Pays Basque! Schafe!!), aber nicht nur. Denn Elodie Deruelle stammt aus dem Burgund und hat beste Kontakte zu Käsern in ganz Frankreich. Kurzum: es wurde ein toller Abend, und ein langer – Dank an die geduldigen Hausmeister der Markthalle Neun.
Wir begannen wie immer mit Bubbles, diesmal jedoch sofort zum Thema, besagtem Crémant de Bordeaux, aus 100% Sémillon, vom Château Frédignac in Blaye. Vincent L’Amouller arbeitet dort mit großer Überzeugung und mit Zertifizierung nach ökologischen Richtlinien; dies war der vielleicht eindrücklichste Besuch meiner Reise. Und die Weine überzeugten Euch auch – außer dem Schäumer zeigte ich Euch den weißen Le Gabier (benannt nach Vincents Matrosen-Ururgroßvater, der den Hof gründete), den Merlot (als Clairet, also dunkler Rosé) und den roten Gabier – Vincents Spitzenwein, La Favorite, müssen wir irgendwann auch noch zusammen probieren!
Beim Käse begannen wir ebenfalls direkt mitten im Thema, mit den Canelés von Elodie Deruelle. Diese kleinen Ziegenkäse sind in ihrer Form den Küchlein nachempfunden, einem Wahrzeichen der Stadt Bordeaux (und gefallen mir so natürlich noch viel besser ;-). Es folgte ein Ausflug in die Auvergne (aus der die Dordogne ihren Weg in Richtung Atlantik nimmt), mit dem großartig mürben, erdig-dichten Salat, einem supertraditionellen Salers, diesem ganz besonderen Kuhmilchkäse – perfekt zu Vincents Weißwein. Danach der runde, erdbeerschmeichelnde Clairet vom Château Degas der wunderbaren Schwestern Diane und Eugenie, die den Märchenschloß-Betrieb von ihrer Großmutter übernommen haben (hinfahren!) – hier war uns Serendipity wieder hold: der Indarika, ein weicher, rotgeschmierter Käse aus Jerseymilch (ja, auch das gibt es im Baskenland – es tut sich was beim französischen Käse!) traf mit diesem Wein auf einen Begleiter, der sich seiner wohlwollend annahm und weder mit üppiger Sahne noch leicht bitterem Touch irgendein Problem hatte. Wow.
Sanfter, aber nicht weniger gut dann die Brique de Brebis und ein gereifter Ardi Gasna, womit wir auch beim Rotwein angekommen waren. Der Le Saucet, eine weichere Form des baskischen Schafsklassikers Ossau-Iraty, ließ uns die Bergweiden der Pyrenäen riechen und schmecken, der rote Gabier fügte die frische Bergluft hinzu… Es folgte mit dem 2014 Pindefleurs St Emilion Grand Cru von Audrey Lauret ein echter Coup de Coeur, wie man zu solchen Volltreffern so schön auf französisch sagt: ich hatte mich eigentlich ein bißchen geärgert, den kleinen Carré de L’Âne Vert von Benoît Roux aus dem Poitou (der auch die Canelés macht) überhaupt gekauft zu haben – rotgeschmierter Ziegenweichkäse reist nicht gerne, und er schien mir jetzt überreif, und dann zum gestandenen, herbfruchtigen St Emilion… Doch weit gefehlt. Keinerlei Schärfe, sondern Weihnachten, wie Ihr ganz treffend befandet. Super-Kombo. Elodie: châpeau! Auch für den Argolay, einer kleinen trocken gereiften Ziegenpyramide aus dem Brionnais im Burgund, zu zwei 2015er Weinen, Pénau Laplagne und Clos des Prince, respektive aus Puisseguin-St Emilion und St Emilion. Beide ganz unterschiedlich und beide mehr als ganz gut und beide (wie Ihr) hoch erfreut über diesen feinen Käse.
Geradezu avantgardistisch im Bordeaux-Kontext schließlich der letzte Wein, der ungeschwefelte Le Canon de La Goulue von Vincent L’Amouller; ganz Frucht und Jugend, aus 2018 und hauptsächlich aus Cabernet Sauvignon, während alle anderen Rotweine vom Merlot bestimmt waren. Wieder hatte ich Zweifel, weil der Ardiak, ein baskischer Blauschimmelkäse aus Schafsmilch ziemlich charaktervoll daherkam, und Blauschimmel mit trockenem Rotwein nicht gerade zu den Standardempfehlungen in Sachen Wein und Käse gehört… meine Zweifel waren vollkommen unbegründet: Charakter erkannte Charakter, voller Respekt und Vergnügen. Wir schlossen mit einem Stück Schokolade, von Thierry „Saunion“ Lalet, Chocolatier in Bordeaux, 70%ige Sao Tomé. Ebenfalls Bordeaux-Rotwein-tauglich. Allgemeine Hochstimmung am Tisch. Jetzt müssen wir diese Weine nur noch regelmäßig nach Berlin importiert bekommen – oder alle ganz bald nach Bordeaux fahren – cin cin et à la vôtre, mes chers!
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!