Eingeladen hatte ich zu diesem Heinzelcheesetalk bereits aus Norwegen, genauer gesagt, vom Flughafen von Evenes auf den Lofoten (das Leben ist hart ;-). Ich hatte eine sehr erfüllte, spannende, lehrreiche Woche auf den Spuren des Brunost verbracht, des braunen Käse, der auch Geitost, Ziegenkäse, oder Ekte Geitost, echter Ziegenkäse genannt wird.
Woran bereits zu erkennen ist, daß dieser norwegische Nationalkäse, der weder wie Käse aussieht, noch so schmeckt, eine komplexe Angelegenheit ist. Wie schmeckt er eigentlich? Viel Umami-Würze, dazu etwas Salziges, wie das, was wir beim Wein gerne mit mineralisch beschreiben, eine Ahnung von Süße, und dazu eine mehr oder weniger ausgeprägte Säure, manchmal beinahe wie Zitronensaft, dann wieder eher an die komplexere Zitronenzeste erinnernd.
Denn beileibe nicht jeder Brunost schmeckt gleich (und das, was bei uns von der Molkereigenossenschaft Tine angeboten wird, ist eine der mehrheitstauglichen, eher nicht so aufregenden Versionen). Von der Textur, von kneteglatt bis trüffelschmelzend, haben wir dabei noch gar nicht gesprochen. Und zu jedem Brunost gibt es einen entsprechenden Kvit– oder Hvitost, weißen (Lab-)Käse…
Es galt also viel zu entdecken und erschmecken und begreifen! Denn ich war außer bei Skjerdal, Undredal und Aalans Gard auch bei Tingvoll, deren blauer Kraftkar letztes Jahr bei den World Cheese Awards zum besten Käse der Welt erklärt worden ist (auf halber Strecke habe ich in Trondheim tatsächlich eine Reisetasche gekauft, um eine gefühlte Tonne Käse für Euch (und den Fotografen für mein neues Buch) nach Hause zu transportieren, was auch bei der Security am Flughafen für interessante Situationen sorgte).
Doch es hat sich wie immer gelohnt, allein wegen Eures Feedback. Der Kraftkar überzeugte Euch mit seiner Balance zwischen Würze und Üppigkeit, der Pultost von Avdem (im Lompe-Fladen) erinnerte Euch ganz klar an Harzer und Verwandte, der Fjelldronning erstaunte Euch ob seiner Fülle, und der gereifte („vellagra“) Ziegenkäse aus Undredal beeindruckte mit seiner Ausdruckskraft. Der entsprechende Käse aus Skjerdal überzeugte selbst in der ungesalzenen Urform, und der Capra von Aalans Gard demonstrierte vollends die Vielfalt an Stilistik und Terroir. Denn über letzteres zu sprechen hat unter diesen Gegebenheiten wirklich seine Berechtigung.
Dann: braune Ware. Zuerst als Gubb von Avdem, quietschig-poppende Bruchkörner in Molke eingekocht, traditionell am letzten Tag des Alpsommersennens. Spaßkäse. Dann als Einstiegsreferenz Ekte Geitost von Tine in Scheiben. Nett, süß, wenig Textur. Wie anders der kleine Würfel aus Undredal hingegen: bereits in Minimalmengen ein Erlebnis. Skjerdal, vom anderen Ufer des gewaltigen Sognefjord, mit noch mehr Umami, und Säure, aber auch einer Feinheit wie ein ultrascharfes Bild, in das sich endlos hineinzoomen läßt.
Schließlich: Aalans Gard’s Brunost, noch dunkler, sowohl in der Farbe als auch in den Aromen. Die ganz eigene Kraft des Nordens, und die innere Ruhe der Menschen dahinter. Ganz anders, nun wirklich beinahe wie ein Stück sehr eigentümliche Schokolade (und nahezu einstimmig sehr positiv von Euch aufgenommen) der innovative Huldreost von Avdem. Aus Kuhmolke, mit Wacholder, Engelwurz und Aquavit gewürzt. Hätten wir gerne öfter, wie auch die überraschend eleganten, mit Kraftkar gefüllten Pralinen, die ich euch einfach mitbringen mußte. Tusen takk til deg!
PS Wein gab es natürlich auch, aber obgleich gut, spielte der diesmal so gar nicht die Hauptrolle – Riesling in unterschiedlichster Form vom Wilhelmshof aus Siebeldingen/Pfalz, Bardolino Chiaretto, Spätburgunder von Johannes Sinns (Nahe) und ein Garnacha, der Prima von Mauro aus Toro, dessen dunkelbeerige Intensität sich tatsächlich gut mit den braunen Nordmännern verstand.
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Montag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!