Heinzelcheese war Anfang April zum ersten Mal in (auf?) Sardinien. Das war lange fällig, um endlich den Ursprung des Pecorino besser zu begreifen. Und all der anderen Käse, die die Schafhirten der Insel seit Jahrtausenden machen. Einen, maximal anderthalb Liter Milch fließen täglich aus den zwei Zitzen eines Schafes – im Vergleich zu Kühen der Moderne eine winzige Menge. Aber diese Milch ist dafür um so konzentrierter, ein echtes Superfood!
Ich war unter anderem bei der Familie Bussu, die einige von Euch vielleicht auf der letzten Cheese Berlin kennengelernt haben, eine der besten Adressen für traditionellen Fiore Sardo. Morgens um halb fünf holte uns Gianfranco ab fürs Morgenmelken… Und ich hatte mich auch auf die Suche nach dem Ur-Stück aller Käse gemacht, dem legendären Callu de cabreddu, für den Ziegenmilch in den Labmagen eines jungen Zicklein gefüllt wird und darin vier Monate reift. Ganz ursprünglich lief das sicher noch ganz anders: ein Hirte schlachtete ein junges Zicklein, das gerade bei der Mutter getrunken hatte, entdeckte die quarkige Masse im vierten Magen und ließ diesen trocknen… Heute handelt es sich dabei beinahe um Bückware, aber ich hatte einen aufgetrieben!
Und dank des großartigen Weinangebots auf dem Flughafen von Cagliari gab es einige fantastische Tropfen, Vermentino und Cannonau natürlich, aber deutlich mehr als das. Und Ihr wart mehr als aufgeschlossen. Wir begannen ritualmäßig mit einem freitagabendlichen Schluck Riesling Brut von den Sufflern bzw. dem Breisgauer Weingut Frey, doch auf dem Tisch lagen bereits Pane Carasau, das hauchdünne sardische Brot, das ich zusammen mit den Käsen direkt aus der wunderbaren Markthalle von Cagliari mitgebracht hatte, und ein raffiniert geformtes Pane Coccoi.
Erster sardischer Wein der frische, lebhafte Costamolino Vermentino di Sardegna von Argiolas, die ich auch besucht hatte. Ein echter Ferienwein, waren wir uns einig, den es hier in Berlin bei Wein & Glas gibt. Käse als erstes ganz harmloser, ebenso frischer Dolce Sardo von Arborea, aus einfacher Kuhmilch. Doch dann eine erste Rarität: ein Pirittas, also ein kleiner Provolone, aus Schafsmilch, als Übergang zum großen Thema Pecorino. Drei Millionen langhaarige Sarda-Schafe gibt es auf der Insel! Wir verglichen den eher jungen Debbene, mit Lammlab gekäst, mit dem gereifteren und dennoch säuerlicheren VerdeNaturale (im Bild), für den Gianfranco Bussu mit eigenem Distellab arbeitet – ein Riesen-Unterschied.
Im Glas dazu der dichte, charaktervolle Vermentino di Gallura Sciala als 2014 Vendemnia Tardiva von Vigne Surrau, an der Costa Smeralda, wo ich auch verkostet hatte und sehr beeindruckt war. Es folgte der Klassiker aller Pecorinos, ein sehr gereifter, wesentlich trockener, intensiver Fiore Sardo von Podda aus Orgoloso, mit dem herbfruchtigen Monica di Sardegna von dem noch ganz jungen Weingut Audarya in Serdiana. Den fanden einige von Euch zu schlank, andere erfrischend.
Ebenfalls erfrischend ein Happen ganz junge geräucherte Scamorza – wie auch bei Fiore Sardo gehört der Rauch sozusagen zur Geschichte vieler sardischer Käse, wo die Schäfer die frischen Laibe einfach in ihren Hütten, den Pinnette aufhingen. Da der Cannonau Costera von Argiolas leider korkig war, wichen wir auf den Terreforru von Meloni (von Suff) aus, der gereift und weich die Südlichkeit der Sorte demonstrierte und Euch allen Spaß machte.
Als nächstes gab es einen modernen Käse, den GranSardo, gewissermaßen ein Parmesan aus Schafsmilch, süßlicher und weicher, aber sehr stimmig, vor allem zu dem Korem von Argiolas, einer roten Cuvée aus dem farb-und Gerbstoff intensiven Bovale mit Carignano und Cannonau. Der elegante, kräftige Wein paßte auch gut zum folgenden gereiften Semicotto Caprino, sozusagen ein Ziegen-Pecorino.
Und dann kam der große Moment: der Callu de Cabreddu – der in unserem Fall aus Ziegenmilch im Lamm-Labmagen bestand, da es anscheinend ein Jahr mit wenig Zicklein war. Mit vier Wochen war er noch ziemlich jung und weich, aber doch ziemlich animalisch-aromatisch. Euch genügte jeweils ein halber Teelöffel der geschmeidigen Käsecreme, aber Ihr wart offen, und einige von Euch waren sogar ziemlich angetan. Ebenfalls ausgefallen war der 2005 Vernaccia di Oristano Riserva von Silvio Carta, der wie Sherry mit Florhefe reift und mit 16,5% Alkohol und mandeleigen Aromen die ziemlich bissigen Fettsäuren des Callu perfekt auffing.
Gewissermaßen zur Versöhnung hatte ich dann noch den Ovinforth, einen kremigen, süßen Blauschimmelkäse aus Schafsmilch von Peppi Faddo für Euch (unerträglich gut, sagte eine am Tisch ;-), mit dem gelbleuchtenden, orangenkremsüßen Malvasia di Bosa (unglaubliche schöne Stadt!) von Angelo Angioi – und die mandelig-nussigen kleinen Pastissus…
Ein wunderbarer Abend mit Euch, ebenso vielfältig und üppig wie Sardinien selbst, wo ich sicher nicht das letzte Mal gewesen bin. Dank an Euch alle, die Ihr mich immer wieder so offen interessiert auf meinen Reisen begleitet, wenn auch im Nachhinein. Cheesio!
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”).
Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Montag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!
P.S. beim nächsten Mal unbedingt den Casu Marzu probieren!
Wow!!
Das macht einem alten Sardinienfahrer ja richtig Spaß; toller Bericht!!
Zum VerdeNaturale würde ich vielleicht eine Flasche Sienda vom Weingut Mura aufmachen…..
Herzliche Grüße,
Christian