Wie wir Norden verorten ist ja ganz unterschiedlich. Meistens denken wir aber tatsächlich an kalt und Schnee… Die Vegetationsperiode (also vom ersten Sprießen bis zum Ernten) ist zwar weiter nördlich oftmals tatsächlich kürzer, aber dafür um so intensiver – die Skandinavier sind zum Beispiel überzeugt, daß bei ihnen die süßesten Erdbeeren überhaupt wachsen. Auf der Cheese Berlin werden wir uns Anfang November intensiv mit dem Thema Käse im europäischen Norden auseinandersetzen.
Bei diesem HeinzelCheeseTalk haben wir erst einmal noch viel weiter geblickt, nämlich nach Kanada (wo es in manchen Teilen gerade gar nicht kalt, sondern wegen der Waldbrände katastrophal heiß war), und dann viel näher nach Norden, an den Schalsee. Arlene Stein, Initiatorin der Terroir-Konferenz in Toronto hatte Käse aus ihrer Heimat mitgebracht, Ute Rohrbeck von Kunst & Käse eine Auswahl ihrer großartigen Ziegenkäse. Und Heinzelcheese war im Weinkeller bis nach Kanada unterwegs (nee, eher nicht am Schalsee ;-). Und alle zusammen haben wir geschmeckt und gehört und diskutiert!
Sehr schnell wurde klar, daß Norden meist ein sehr relativer Begriff ist und Grenzzonen meint. Der 2011 Tantalus Riesling Old Vines Brut Naturel aus dem Okanagan Valley in British Columbia ist Norden, weil wir uns hier in Berlin nicht vorstellen können, daß es dort sonnige Strände und großartige Weinberge gibt – aber wir haben es im Glas geschmeckt! Der White Fleet Queso Fresco (dessen Ursprünge in Mexiko liegen) von der Five Brothers Artisan Cheese in Neufundland (!) verdeutlichte, daß Kanada ein erklärtes Einwandererland ist (und damit ganz anders umgeht als wir in Deutschland).
Der 2015 Riesling trocken von Josef Gierer aus Nonnenhorn am Bodensee war für viele am Tisch gewissermaßen auch nördlich und gefiel außerordentlich gut zum sehr ausdrucksstarken, gereiften Cow’s Milk Cheddar von Monforte Dairy in Stratford, eine Autostunde südwestlich von Toronto. Zum Fighting Irish Red Ale Cheddar aus Neufundland brachte der 2013 Chardonnay von Closson Chase in Prince Edward County (zwei Autostunden nördlich von Toronto) sehr schöne reife Karamel- und Pfirsichnoten ins Spiel. Zu einem großartigen Pecorino-artigen Schafskäse von Monforte mußte dann Rotes ins Glas, zuerst allerdings nicht wirklich nördlich, nämlich der bestechend transparente 2014 Blaufränkisch von Claus Preisinger aus dem Burgenland.
Dann ging es mit Ute Rohrbeck, Kunst und Käse an den Schaalsee, diesem wunderschönen Biosphärenreservat bei Zarrentin, zwischen Berlin und Hamburg. Aschekäse, (gar nicht so) blauer Künstler, LavenDie, Kräuterhügel… Sämtlich aus Ziegenmilch und sämtlich voller Charakter, was wir im Glas mit duftendem steirischem Sauvignon Blanc von Manuel Ploder (der ebenfalls am Tisch saß), 2011 Cabernet Sauvignon von Justus (Ruppert-) Deginther aus Rheinhessen (der Euch mit seinen wirklich reifen, saftigen Paprika-Aromen ausgeprochen gut gefiel) und wiederum einem kanadischen Riesling von Charles Baker aus Niagara (über den ich mehr hier geschrieben habe) ausloteten.
Grande Finale: ein supergeluschtiger Brie-artiger Käse von Ute („schmackofatz“) und (eher südlich) ein beerigsüßer Wonnewein aus Rivesaltes (danke Wernher!) im Roussillon. Trotzdem bleibt das Fazit: Norden ist relativ, kann großartig sein und Kanada ist nicht nur Eiswein. Danke an Euch alle und cheerio!
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, dann werden die fünfzehn Plätze am Tisch auf Reservierung vergeben. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!