Für die einen ist es der vielleicht langweiligste Käse der Welt, in Masse produziert, zum ewigen Dasein auf Frühstücksbüffets und Schulstullen verdammt. Für die anderen… ja, die anderen, die bekommen glänzende Augen, wenn sie an die Höfe denken, die die handgefertigten runden Laibe lange reifen lassen, bis sie karamellig duften und mit kleinen Kristallen auf der Zunge ein käsiges Feuerwerk entfachen. Und die Wahrheit, die liegt wie immer bei beiden und überall dazwischen!
Vor einigen Jahren habe ich unser kleines Nachbarland im Nordwesten auf den Spuren des Goudas – oder Chauda, wie ihn unsere holländischen Freunde kehlkopfkratzig nennen – kreuz und quer durchforscht. Es ist eine faszinierende Welt, in der kein Quadratmeter ungenutzt scheint und trotzdem soviel Schönheit zu finden ist, und soviel guter Käse, trotz aller Massenproduktion. Mein Bericht damals ist der Effilee zu lesen. Tatkräftig erkundet in Form von Käse auf dem Brett haben wir das Thema neulich beim HeinzelCheeseTalk in der Markthalle Neun. Euer Interesse war riesig, wir hätten den großen Tisch mehrmals besetzen können! Ich wollte Euch die gesamte Bandbreite zeigen, von Massenproduktion aus pasteurisierter, mit Annato farbgedopter Milch (der laut Etikett auch Vitamin A, B und D zugesetzt waren – warum?) bis zum Boerenkaas, dem handwerklich hergestellten Hofkäse.
Ich hatte eine Auswahl verschiedener Altersstufen und Qualitäten von einem holländischen Versandhandel, Goudse Kaas Shop dabeim – das klingt ein bißchen absurd, wenn man mitten in Berlin mit all seinen Käsetheken wohnt, macht aber auf dem platten Land sicher Sinn. Mehr dazu an anderer Stelle. Wir stellten einmal fest, wie gut unsere Nachbarn im Milchverarbeiten sind; aber 2,5 und 4 Monate alt ist nicht besonders aufregend. Ab 10 Monaten zeigt sich Charakter, geht es vom rein Milchigbuttrigen zu ersten Karamell-, Heu- und Strohtönen. Euch fiel sofort die unterschiedliche Konsistenz und Textur der Rohmilchkäse auf: dichter, ausdrucksvoller, spannender. Über dreijähriger „Bröckelkäse“ gefiel Euch ganz besonders, Favorit im Weinglas war dazu der Grüne Veltliner von Peter Veyder-Malberg (2013 Liebedich).
Wir hatten uns beim Wein ein Beispiel an den weltgewandten holländischen Händlern genommen und außer dem Wachauer einen pink Java aus dem Pénedès (danke Wernher!), einen sehr schönen griechischen Assyrtiko von der Insel Santorini (danke Ben!), einen wunderbar gereiften Riesling von der Nahe, 2008 Frühlingsplätzchen von Emrich-Schönleber und schließlich „schwarzen Sekt“, Lambrusco, der großartig zum Käse paßte (danke Suff!). Einer der besten Käse war der mittelalte Gouda von Maître Philippe, der außerdem einen gereiften Rohmilch-Edamer beisteuerte – weniger üppig, feiner und einer der unterschätztesten Käse unserer Zeit! Höhepunkt war schließlich der Remeker von Jan Dirk van de Voort, den es in Berlin bei Knippenbergs gibt, dessen faszinierende, inspirierende Geschichte Ihr hier lesen könnt, und der – hurra! – Anfang November zur Cheese Berlin kommen wird! Cheesio und bis bald, Ihr HeinzelCheeseTalkler.
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, dann werden die Plätze am Tisch auf Reservierung vergeben: wer schnell genug ist, ist dabei! Bitte sagt aber Bescheid, wenn Ihr dann doch nicht kommen könnt – es gibt immer eine Warteliste. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zehn Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!