Heinzelcheese #76 Space Odyssee: eine Reise durch Raum und Zeit. Freitag 19. Februar 2021

Keine Überraschung: mit dem Zusammensitzen war’s noch nix. Aber um so überraschender (wenn Ihr mal ein Jahr zurück denkt – da hätte ich Euch alleine die Idee um die virtuellen Käse-Ohren gehauen ;): zusammen Käse und Wein verkosten, genießen, diskutieren im Zoom-Space funktioniert. Und weil die beste Überlebens-, ach was, Lebenstaktik die der Anpassung an neue Situationen ist (was gelegentliches, angebrachtes Revoltieren beileibe nicht ausschließt!), machten wir weiter mit unser Space Odyssee.

Die Resonanz war toll, wir saßen zu etwa 25 zusammen, teils in ganzen Familien, von Berlin über Hamburg bis nach Winkel im Rheingau, Landsberg, München und Kapstadt. Ich hatte zwei Weine von Mittelmeer ausgesucht, in der Februar-typischen Sehnsucht nach Sonne (obgleich dort jetzt der kalte Mistral ganz schön beißen kann). Der 2019 Le Soleillant von Jean-Marie Chevenisse aus dem Gard, ein weißer Côtes du Rhône aus Grenache blanc, Viognier und Roussanne, war rund und kuschelig-weich und hatte doch ausreichend Rückgrat. Er gefiel Euch allgemein zu den beiden ersten Käsen, Burenkaas Gouda aus Rohmilch der Familie Booij. Respektive sechs und 36 Monate alt war das eine tolle Gelegenheit, um sich mit dem Thema Zeit und Käse auseinanderzusetzen. Mit sechs Monaten üppig-süßlich, dicht, cremig-elastisch, mit drei Jahren hingegen mürbe brechend, viel Umami und Röstaromen, von Kaffee und Kakao bis zu gereiftem PX Sherry. Ihr wart wirklich toll im Beschreiben, die Reifekristalle „wie Inseln“ im Teig…

24-monatiger Parmigiano Reggiano von Giorgio Cravero hatte es schwer danach, weil er dem Stil des Hauses gemäß ganz auf der diskreten, eleganten Seite lag, keine süßen, sondern vor allem Umami-Aromen zeigte, sowie das charakteristische Grün-Frische dieses alten, historischen Käse. Mir ging es hier auch um die brechende, eher lose Textur, die in seiner Machart angelegt ist, während sie beim Gouda durch die Reife entsteht.

Der Rotwein, der 2019 Domaine de Majas aus den Côtes Catalanes aus Grenache Noir und Carignan, brachte dazu entsprechende herbe, sehr transparente Kräuter- und dunkle Fruchtnoten ins Spiel.

Dann eine weitere Spielart zum Thema Hartkäse und ein großer räumlicher Sprung aus der Emilia-Romagna beziehungsweise dem Piemont (wo Cravero zuhause ist und der Käse reift) nach Somerset im Südosten Englands, zur Familie Keen und ihrem ebenfalls 24 Monate gereiften Farmhouse Cheddar. Blind hätten wir ihn aufgrund der geradezu saftigen Art und lebhaften (für manche besonders nach dem Parmesan beißenden) Säure sicher alle jünger geschätzt. Wir tauchten deshalb in die Historie des Cheddarings ein, die Bäuerinnen, die das Käsemachen neben all den anderen Aufgaben bewältigen mußten, was diese besondere Methode und schiefrig brechende Käseart entstehen ließ.

Und schließlich, ganz anders, wieder ein großer Sprung in Raum und Zeit, zu den Oudwijkers in den Niederlanden und ihrem Stella. Etwa sechs Wochen jung, sehr rotschmier-käsefüße-kuhstall-aromatisch in der Nase und dann doch überraschend fein am Gaumen, mit einer wiederum ganz besonderen Textur, die jemand sehr treffend als „luftig“ beschrieb. Ein Weichkäse aus Büffelmilch, eine echte Ausnahmeerscheinung, wie eigentlich alles im Oudwijker-Sortiment (auf deren Website es übrigens sehr spannende Aromenräder für jeden Käse gibt!).

Wir probierten nochmal beide Weine dazu, die sehr unterschiedlich beide „funktionierten“. So wie dieses nicht-analoge und doch intensive, von Präsenz und Nähe geprägte Treffen. Danke, Ihr Lieben. Paßt weiter auf Euch auf – cheerio und cheesio.

Zu Präcorona-Zeiten fanden HeinzelCheeseTalks rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, schräg gegenüber vom Suff-Weinstand (coronabedingt sind wir dann zwischenzeitlich ein bißchen auseinandergerückt, bis auch das nichts mehr half). Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die vierzehn Plätze werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein…

PS: Ihr werdet vielleicht bemerkt haben, daß ich diese Space-Treffen nicht “mitzähle”, sonst wäre das jetzt Heinzelcheesetalk #76. Sollte es das? Aus meiner Sicht nicht, weil es doch etwas ganz anderes ist, die Auswahl an Käse trotz der großartigen Unterstützung durch Alte Milch weniger ausgefallen ist, die Weine von Suff auf zwei beschränkt… Deshalb warte ich ab, wie sich das Leben so sortiert – und freue mich nichtsdestotrotz auf Euch!

2 Gedanken zu „Heinzelcheese #76 Space Odyssee: eine Reise durch Raum und Zeit. Freitag 19. Februar 2021“

  1. Liebe Ursula, leider gar nicht witzig, aber mit Sicherheit eindringlich:
    1. Du weißt ja, wo ich lebe. Im Trebeltal. Und Du weißt ja wieviel guten Käse es hier gibt.
    2. Wein? Das gleiche Problem.
    3. Wir haben uns ewig weder gesehen noch gesprochen.
    Wie auch immer, schöne Grüße und auf ein hoffentlich baldig virenbefreites Wiedersehen!

    1. Lieber Olaf – wie schön von Dir zu hören!! Und ja, verstehe ich. Und vielleicht klappt es – ich drück Dir die Daumen. Leider hab ich kein Versandunternehmen… herzliche Grüße und cheerio, U.

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