Heinzelwein-Dreier für den Februar 2021: Zweimal Südlich-Rot mit Gedanken zur Männlichkeit und dem Recht auf Freude

Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Geschmack in Worte zu übersetzen ist nicht einfach, und oft hilft man sich mit Bildern und Vergleichen. Beim Wein sind das im begeisterten Überschwang leider häufig ziemlich gewaltgeladene: Frucht-Bomben, die im Mund explodieren – wirklich? Bombensplitter? Sehr verbreitet sind auch Sortier-Schubladen, allen voran männlich und weiblich, meist definiert durch hart/weich, rot/weiß, langlebig/schnelltrinkig, teuer/günstig – oh Mann. Alle Männer sind tough, alle Frauen sanft und sinnlich… Hat mir noch nie gefallen UND ich habe gerade Liz Plank’s Buch zum Thema toxische Männlichkeit gelesen, For the Love of Men. Damit Frauen stark sein können, müssen Männer schwach sein dürfen.

Hier also zwei Rotweine, die sowohl das eine und das andere sind, die aus dem Süden kommen (jedenfalls aus Berliner Sicht) und doch nicht feurig schmecken, sondern sinnlich, weich und schmeichelnd, fest und dezidiert zugleich.

Der 2018 Montefalco Rosso von der Azienda Di Filippo in Umbrien ist eine Cuvée aus säurelebendigem Sangiovese, kirschfruchtiger Barbera und etwas kräutrig-mineralischem Sagrantino, einer dunklen, alten, nahezu mystischen Sorte der Gegend um Montefalco. Mit 14% Alkohol ist da durchaus entsprechende Wärme und Geschmeidigkeit, doch durch die Methoden des biodynamisch geführten Weinguts keinerlei übermächtige Wucht. Beschwingt und fein und nach hinten wunderbar herb bewegt er sich über die Zunge, und schmeckte neulich ganz großartig zum Taleggio.

Der 2017 Empreintes von Clos Saint Sébastien kommt aus Collioure, diesem kleinen Fischerdorf am Fuße der Pyrenäen, nahe der Grenze zu Spanien – beziehungsweise aus den beeindruckenden Terrassenlagen oberhalb davon, mit ihren steinigen Böden, die Reben den Mittelmeerwinden ausgesetzt, die besonders im Winter und Frühling bitterkalt und heftig wehen können. Grenache mit einem Fünftel Carignan, das fällt daher auch hier trotz 14% nervig und transparent aus statt marmeladig-üppig, die Frucht von schwarzroten Beeren bestimmt, dazu Garrigue-Kräuter. Eigentlich so, wie viele sich den idealen roten Burgunder vorstellen, er aber selten ist ;) Ganz großartig zu gebratenem Rotkohl, Pilzen, gebackener Roter Bete…

Begleitend reden wir dazu jetzt nicht weiter über toxische Männlichkeit, sondern das Recht auf Freude, im Alltag, trotz aller Widrigkeiten, Ungerechtigkeiten, Ungeheuerlichkeiten dieser Welt. Enuma Okoro aus New York schreibt in der Financial Times anläßlich von Joe Bidens Amtseinführung darüber, wie wichtig es ist, die Freude nicht zu verlernen und wie sie diese Freude in den Werken von Marc Chagall findet:

Chagall’s oeuvre is an expression of a romantic imagination, a commitment to celebrating a love of life, despite its inevitable sorrows. Not as a means of mindless or childish escape, but rather to invigorate us in a childlike wonder about the world […] an invitation to use love as a tuning fork for how we move to the cadence of our own lives, one eye on the world, and the other fluttering against the beat of our own heart.

Oder in Amanda Gorman’s Worten:

For there is always light,
if only we’re brave enough to see it.
If only we’re brave enough to be it.

Paßt auf Euch auf, in jeder Hinsicht, seid Ihr selbst – und danke, daß Ihr hier seid.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, oft in Gedicht- oder Musikform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein und Worten begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: den Montefalco gibt es hier, den Clos Saint Sébastien hier und das Buch von Liz Plank hier. Trinken, schmecken, lesen, denken, leben – leuchten! – müßt Ihr sowieso wie immer selbst – keep safe.

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