Heinzelwein-Dreier im Januar 2020: Bodenhaftung, Inspiration – und Freiheit

Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Jahresende, Jahresanfang: Bodenhaftung ist angesagt, nochmals. Dieses Mal mit meiner vielleicht wunderbarsten Wein-Entdeckung der letzten Monate, richtig gutem Sake. Ich weiß, ich brauche immer ein bißchen länger mit den Trends – aber jetzt hört Ihr es auch von mir. Ich kenne nur wenig Alkoholisches, das so beruhigend und stärkend, weich und kräftigend zugleich schmeckt und wirkt; alles Eigenschaften, die uns auch 2020 zweifellos helfen werden. Walter und Tomoko von Umami Japan haben wiederum mir geholfen, zum Sake zu finden – danke.

Der Tsukasabotan Hiyaoroshi aus der Präfektur Kōchi ist ein Junmai Genshu, also aus poliertem Reis und unverdünnt, deshalb etwas höher im Alkohol. Das schadet nicht, sondern trägt noch zu obigen Eigenschaften bei, neben der ausgeprägten Umami-Würze, die mit einer nahezu ätherischen, streichelnden Süße steten, sicheren Fußes einher geht, oder beinahe schwebt.

Gegenstück dazu im Weinglas, für die ständige Balance zwischen Schwer- und Fliehkraft: Rotwein der feinen, intellektuellen Art. Nein, das heißt nicht kompliziert, sondern leise und zum Hinhören auffordernd. Von Anders Frederik Steen, Däne, ursprünglich Koch und Sommelier, zum Winzer weiterentwickelt, erst im Jura, nun in der Ardèche. Seine Weine sind sehr natural auf die sehr freundliche Art (was dem Menschen selbst entspricht), mit Namen, die wie Songtitel und Kunstwerke klingen. In the Shadow of the Morning Sun ist ein 2018 Grenache aus 40 Jahre alten Reben, unfiltriert, hell, duftig, beinahe zart, der zum Sinnieren über Möglichkeiten einlädt. Die Morgensonne, auf die ein ganzer Tag folgt…

Meine Gedanken zu diesem Heinzelwein-Dreier sind ein unverhofftes Dreierpack. Zuerst als Auftakt zu meinem Winterschlaf Toni Morrisons Beloved, endlich (siehe oben), auf deutsch Menschenkind, die Geschichte einer Familie freigekaufter und geflüchteter Sklaven in Ohio vor, in und nach dem Bürgerkrieg. Es ist ein Blick in die Art von Abgründen, die einem theoretisch bewußt sind, aber doch nie praktisch und konkret werden. Es geht um Freiheit.

Toni Morrison schreibt zur Entstehung des Romans: I was happy, free in a way I had never been, ever. It was the oddest sensation…
Sie läßt die als Sklavin geborene Baby Suggs im Roman in den ersten Stunden ihrer Freiheit denken und sagen:
…suddenly she saw her hands and thought with a clarity as simple as it was dazzling, „There hands belong to me. These my hands.“
Woraus folgert: wie mit dieser Freiheit umgehen, damit etwas daraus wurde, das sich leben ließ?

Beinahe zeitgleich kamen nacheinander zwei Karten mit der Post. Die erste mit einer Aussage von George Bernhard Shaw:
Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit. Das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.
Die zweite bestärkte das noch mit folgendem (nur im ersten Moment etwas flapsig wirkenden) Spruch:
In theory, there is no difference between theory and practice. In practice, there is.

Ich wünsche Euch, uns, viel praktisch gelebte Freiheit für dieses noch ganz neue, junge Jahr, und ich hoffe und weiß, daß der richtige Wein dabei helfen kann und wird.
Frei sein und Freiheit nutzen.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, oft in Gedichtform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: beim Sake hilft Euch Walter weiter, wenn Ihr ihm eine Email schickt, die Morgensonne findet Ihr hier (es gibt nur wenige Flaschen, aber in dem hervorragenden Sortiment ähnlich gutes als Alternative – einfach anrufen), und hier bekommt Ihr Beloved und Menschenkind. Trinken, lesen, schmecken, denken, leben müßt Ihr wie immer selbst.

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