Heinzelwein-Dreier im September 2018: Herbst, Riesling und Ruchè – und einmal mehr: Rilke

Heinzelwein ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Was für ein Sommer – heiß, trocken, bedrohlich, schwer erträglich für viele. Die Luft voller Spannung, viele Menschen nicht minder. Beunruhigende Nachrichten aus allen Himmelsrichtungen. Und doch, immer wieder, im Kleinen wie im Großen, wunderbare, hoffnungsvolle Momente, Freundlichkeit und Zuversicht… Ihr merkt, es herbstet beim Heinzelwein, mit den kühleren Nächten und den ersten fallenden Blättern kommt dieser gewisse Hauch von Melancholie, das Licht ändert sich, wird selbst mitten in der Stadt transparent und golden wie in den Bergen.

Wer nicht in den Bergen lebt, kann zumindest Berge trinken, und deshalb kommt der erste Wein von den Südhängen der Alpen. Rund 700 Meter hoch, steil, steinig – die Reben von Castel Juval atmen reine Bergluft. Das Schloßgut in Kastelbell im Vinschgau gehört dem Extrembergsteiger Reinhold Messner, für den nicht weniger extremen Weinbau zeichnen sehr erfolgreich seit 1992 Gisela und Martin Aurich (ein Berliner!) verantwortlich. Ich habe neulich beim Aufräumen im Keller eine letzte Flasche Riesling Unterortl von 2011 gefunden, die schlanken, gelbreifen Fruchtnoten sind jetzt voller balsamischer Würze. Aktuell gibt es 2017, und auch der wird Euch mit seiner ganz eigenen Kombination von Strenge und Gelassenheit von den Dolomiten erzählen und die Seele in schwierigen Momenten zum Leuchten bringen.

Noch herbstlicher ist Ruchè aus Castagnole Monferrato bei Asti. Ja, das ist im Piemont, und ja, da denke auch ich meistens und vor allem an Barolo beziehungsweise Nebbiolo, oder an Barbera. Von Ruchè hatte ich bis vor kurzem noch nie gehört; eine alte, lokale Rotwein-Sorte, die erst Ende der 1960er von einem Pfarrer gezielt angepflanzt wurde. Ich fragte nach Empfehlungen, wurde an Luca Ferraris verwiesen, bestellte ein paar Flaschen probeweise und war so neugierig, daß ich trotz extremer Hitze eine davon in den Kühlschrank und mit einem Freund an einem Sommerabend öffnete. Chè vino, was für ein Wein… Wir leerten die Flasche zu zweit und fühlten uns herbstlich inspiriert, von dem geheimnisvollen Duft nach Zimt, Nelken und Wildrosen wie verzaubert und dabei doch von selbstbewußt angenehmen Tanninen und frischer Säure belebt.Der 2015 Bric d’Bianc ist Herbstduft zum Trinken und doch alles andere als kitschig – so wie diese Zeilen von Rainer Maria Rilke, aus dem Buch der Bilder, namens Herbst (ja, ich bin bekennender Rilke-Fan, und nein, das wird hier nicht das letzte Zitat von ihm sein – unten zum Nachlesen der Herbstklassiker).

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Nota bene: es sei hier ausdrücklich betont, daß es jedem einzelnen überlassen ist, wer dieser „Eine“ sein darf, könnte, sollte.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, ganz unterschiedlich, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, in Gedichtform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein begegnet mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: hier gibt es den Ruchè, und hier ist Unterortl.

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