Naturgemäß geht es beim Heinzelcheesetalk in erster Linie um Käse, klar. Aber wenn eine glückliche Fügung ergibt (oh Serendipity, wie lieb ick Dir), daß jemand mit fantastischen Weinen just zu diesem Moment nicht nur in der Stadt, sondern in der Markthalle ist… Da wären wir ja schön blöd, wenn wir zu diesem Menschen, nämlich Johannes Sinss, und seinen Weinen nicht interessante Käse fänden!
Johannes hat seit einigen Jahren die Verantwortung für das zehn Hektar große, 200 Jahre alte Familienweingut in Windesheim an der Nahe übernommen (wunderschön – hinfahren!) und transportiert die Eigenheiten dieser Lagen immer präziser (und vergnüglicher) in die Flasche bzw. ins Glas, mithilfe unterschiedlichster Rebsorten von Riesling über verschiedene weiße und rote Burgunder bis hin zur Scheurebe. Und Sekt, mit dem wir starteten, 2014 Weißburgunder Brut.
Auf der käsigen Seite begannen wir mit einer Auswahl aus Polen, von dem Ziegen-Ökohof Kozia Łąka Sery Łomnickie südlich von Jelenia Góra in Niederschlesien, mit Blick aufs Riesengebirge und die Schneekoppe. Ich war bei meinem (viel zu kurzen) Besuch für einen polnischen Weinwettbewerb in dem Kultur-Hub SPOT in Poznań (hinfahren!) ganz unverhofft darauf gestoßen (Serendipity…).
Bożena und Daniel Sokołowscy halten hundert Ziegen, durch die Zusammenarbeit mit Nachbarn wird die Palette um Kuhmilchkäse erweitert. Ich hatte jungen Ziegenweichkäse in Lake (Buncek kozi) mitgebracht, einen rindengereiften Kuhmilchkäse (NieWinna Krówka), einen ebenso gereiften, aber flacheren Ziegenkäse (Ser dojrzewający kozi naturalny, aus Rohmilch, unser aller Favorit und mein Käse des Monats für den Juli) sowie Brimsen (Bryndza), den Streichkäse der Karpaten, in diesem Fall nicht wie sonst aus Schafsmilch, sondern von der Ziege. Uns fielen sofort jede Menge Einsatzmöglichkeiten in der Küche ein. Im Glas dazu sehr aufgeschlossen erst 2016 Grauburgunder (der „normale“), dann 2014 Grauburgunder R vom Sandlehmkieselboden der Lage Rosenberg. Johannes erklärte uns nicht nur die Unterschiede der Böden, sondern vermittelte auch, daß guter Wein im Glas über das ganze Jahr hinweg entsteht, durch eine Unmenge kleiner Entscheidungen im Keller und generell viel Aufwand, sowie viel Geduld und Gelassenheit, wenn die Moste lange brauchen, um mit eigenen Hefen zu gären…
Auf den Käsebrettern machten wir einen Sprung nach Italien und verglichen drei Pecorini aus Sardinien (aus meiner Schatzkammer) mit einem, den ich vor kurzem aus den Abruzzen mitgebracht hatte. Der Formano von Gianfranco Bussu ist einer der besten der sardischen Insel, er gefiel Euch sowohl in der jüngeren als auch der gereifteren Version. Der Pecorino dolce von Argiolas zeigte, daß sich auch in einem wesentlich größeren Unternehmen eine sehr gute Qualität produzieren läßt, und es war spannend, ihn mit dem sehr rustikalen Käse aus den Abruzzen zu vergleichen. Der war ein Beispiel für den „Urlaubseffekt“: er hatte beim Frühstück im Borgo Spoltino in den Colline Teramane (ebenfalls: hinfahren!), nachdem ich morgens an der Schafherde vorbeigejoggt war, eine deutlich bessere Figur abgegeben…
Aber der sympathisch-unprätenziöse Pecorino Castello Semivicoli von Gianni Masciarelli im Glas mac hie das wieder wett, denn ja, Pecorino ist auch eine autochthone Rebsorte aus Mittelitalien, die ihren Namen wahrscheinlich darauf zurückführt, daß die Wanderschäfer mit ihren Herden im Herbst durch die Weinberge in den Monte Sibillini zogen.
Danach ging es zurück an die Nahe, mit dem 2014 Spätburgunder R, ebenfalls vom Rosenberg, und seiner feinen Balance zwischen herber Würze und roter Frucht, Tiefe und Frische. Erst ganz am Anfang, waren wir uns mit Johannes einig! Was auch für den 2013 Riesling R vom Römerberg (roter Sandstein) galt, unkompliziert trinkig und sehr intelligent zugleich…
Für wesentlich mehr Diskussion sorgte der darauf folgende Wein, der mir ganz überraschend just am Morgen (Serendipity… Ihr wißt schon ;-) per UPS ins Haus geschneit war. Anne Zuber von der Winnica De Sas in Krośnice nördlich von Wroclaw hatte ich ebenfalls im SPOT kennengelernt. Der umgeschwefelte, braungoldene Parus ist nach der Sumpfmeise benannt und entsteht aus auf Stroh getrockneten Rieslingtrauben.
Er erinnerte Euch ein wenig an Sherry, brachte darüberhinaus aber auch Honignoten ins Spiel, und mit 16,5% eine ganze Menge Alkohol. Für mich ist es einer dieser wunderbaren „Käseweine“, von denen ein kleines Glas zum richtigen Käse perfekt ist; nach dem Rotwein und vor dem Süßwein – den wir dann in Form des 2015 Riesling Spätlese vom Römerberg von Johannes bekamen. 75 Gramm Restsüße kamen hier aufgrund von 10 Gramm Säure richtiggehend erfrischend daher und schickten uns beschwingt, inspiriert und vergnügt ins Wochenende – cheerio. Genießt den Sommer, liebe Cheesetalker.
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits am Montag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!