HeinzelCheeseTalk #34: Jahresende-Highlights-Special am Freitag, 16.12.2016

Es war ein langes, kurzes, volles und im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdiges Jahr. Mal abgesehen vom Rest der großen, weiten Welt da draußen hatten wir in der Markthalle Neun wunderbare Begegnungen und Geschmackserlebnisse in Form von Käse und Wein. Griechisch, türkisch, irisch. Am Käsekessel, beim Melken und Butterschütteln in der KäseWerkstatt beim großen StadtLandFood-Festival. Aus den österreichischen Alpen, Sizilien und England auf der Cheese Berlin. Je verrückter die Welt spielt, desto wichtiger ist es, sich mit Käse daran zu erinnern, was Leben tatsächlich bedeutet: es beginnt mit Milch. Käse ist erwachsene Milch.

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Ohne Euch, die diese erwachsene Milch mit Verstand und Begeisterung entdecken, verkosten, essen, wäre das große Käsenetzwerk sinnlos. Deshalb war der letzte HeinzelCheeseTalk dieses Jahres ein buntes Feuerwerk, der uns hoffentlich auf die Überraschungen des nächsten Jahres vorbereitet hat. Wir starteten mit dem Rhabarber-Sekt der dänischen Cold Hand Winery und meinem Käse des Monats Dezember, Pannerone aus der Lombardei, der ganz ohne Salz gemacht wird. Mehr dazu könnt Ihr hier lesen, mir ging es dabei ums Verzichten, schließlich ist der Advent Fastenzeit. Dann waren wir mit dem Hubaner aus dem Bregenzerwald beim Thema Reife, wir verglichen vier Monate mit über zwölf! Dazu der Pinot Gris Urbanus vom Weingut Clauss am entgegengesetzten Ende des Bodensees, gefolgt von dem wunderbar sanft gereiften 2011 Pinot Noir no3 vom Schloßgut Bachtobel im Thurgau.

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Relativ einfacher, junger, aber ganz lebendiger Pecorino aus Montefalco in Umbrien brachte uns dann zum Thema Schimmel – beileibe nicht alles, was unvorhergesehen passiert, ist schlecht!  Und nicht alles, was vorsätzlich angelegt ist, sorgt für Begeisterung, wie der in Rotweintrester eingehüllte Mini-Pecorino aus Montefalco, der offensichtlich eher als Souvenir angelegt war denn als ernsthafter Käse. Sehr schön jedoch der 2013 Nipozzano Riserva. Und der dritte Käse aus Montefalco (übrigens aus der kleinen Macelleria des Ortes, mit großartigen vorbereiteten Innereien) rettete die umbrische Käse-Ehre: gereift-bröckelig in der Konsistenz und zugleich kremig im Geschmack, sicher eine Mischung aus Schafs- und Kuhmilch. Wozu wir im Glas an Griechenland dachten, mit dem fein gereiften 2008 Cava Amethystos von Costa Lazaridi aus Drama (passende Herkunft für 2016!). Gereifter Castelmagno aus dem Piemont demonstrierte, wie viele unterschiedliche Reifestufen in einem Käse stecken können.

Käse-Stars des Abends waren jedoch die beiden Gäste aus Masuren im Nordosten Polens, von Frontiera. Beide aus der fetten, gelben Milch von Jersey-Kühen, zuerst etwas härter und gereifter, dann als Blauschimmelkäse. Ihr könnt mehr über diesen Hof hier und hier lesen. Wir tranken dazu Sagrantino aus Montefalco, den grandiosen 2014 von Antonelli, ein Weingut, das ich gerade besucht hatte (danke Markus!) und den 2012 Nielstrup von Frederiksdal aus Lolland/Dänemark, aus Sauerkirschen, den einige bereits als Gäste der diesjährigen Cheese Berlin kannten.

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Soweit, so gut – das waren Rückblicke. Doch wenn es so weiter geht mit der Welt, dann müssen wir auf Extreme gefasst sein, ob positiv oder negativ. Und deshalb hatte ich als Abschluss zwei kleine runde braune Kerle organisiert. Beim ersten wart Ihr schockiert: der norwegische Gamalost (wörtlich „alter Käse“) aus Norwegen ist ein sehr trocken gekäster Sauermilchkäse, also ein Handkäse wie der Harzer, der sehr lange reift (und zugegebenermaßen nicht gerade wie frische Schlagsahne schmeckt). Er erzählt von Bergbauernhöfen in abgelegenen Fjordlandschaften, die es schwer hatten, überhaupt durch den langen Winter zu kommen, und daher auf jedes Gramm Protein (in diesem Fall aus der entrahmten, sauren Milch vom Buttermachen) dringend angewiesen waren. Der zweite war eigentlich gar kein Käse, sondern sogenannte Wäldlerschokolade aus dem Bregenzerwald. Traditionell kocht man die Molke, die beim Käsen übrigbleibt, so lange ein, bis sie karamellisiert und fest wird, wie Toffee mit Umami und ein wenig Salz. Und eng verwandt wiederum mit dem norwegischen Brunost verwandt, auch Geitost oder Mysost genannt (über den Ihr mehr hier lesen könnt)… Als Versöhnungsschluck gab es zum Schluß 2015 Beerenauslese von Heidi Schröck aus dem Burgenland – wo auch Schimmel im Spiel, nämlich die „edelfaule“ Botrytis. Ihr merkt: alles hängt irgendwie zusammen, und manchmal macht etwas Sinn, das ursprünglich wie ein Irrweg erscheint, und ich danke Euch für Eure Offenheit, Begeisterung und Wissbegierde. Wenn wir die verlieren, sind wir wirklich verloren! Feiert schön, natürlich mit Käse und Wein – cheesio und cheerio bis nächstes Jahr.

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Aus ggfs gegebenem Anlaß: falls jemand auf die (an sich großartige) Idee kommen sollte, HeinzelCheeseTalk-Plätze an seine Lieben verschenken zu wollen… Geht für die regulären Termine leider nicht (Gründe sind ein bißchen komplex, erkläre ich persönlich gerne ausführlicher). ABER: wenn Ihr Eigeninitiative zeigt und Euch zu einer Gruppe zusammen tut und wir einen Termin finden, dann können wir Euren ganz eigenen, persönlichen HeinzelCheeseTalk veranstalten. Einfach melden!

HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). 

Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an eine Mailingliste, die fünfzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von zwölf Euro pro Käsegenießer, wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

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