Der Norwegen-Stand gehört für mich zu den wenigen Gründen, der Grünen Woche einen Besuch abzustatten. Das Motto lautet hier ganz eindeutig Qualität, wie nicht zuletzt die rotweißblau-besternten Pullover der angereisten Nordmänner und -frauen zum Ausdruck bringen. Natürlich gibt es Aquavit, Fischiges in vielerlei Form sowie Elch- und Rentierfleisch. Doch was fand ich am spannendsten: den Ziegenkäse von Svein Håpnes.
Svein lebt in Limingen, in der Gegend, die die Norweger als die Mitte ihres Landes betrachten: etwa 550 Kilometer Luftlinie bzw. elf Autostunden nördlich von Oslo, nahe der schwedischen Grenze und dem Børgefjell Nationalpark. Und der lebhafte, sympathische Mittfünfziger lebt dort nicht allein: zu seinem Hof gehört eine Ziegenherde, die sich frei in der Gebirgslandschaft bewegt und von selbst zweimal am Tag zum Melken antritt. Svein hat Skånaliseter 1981 in vierter Generation übernommen; begonnen hat alles, als seine Urgroßmutter 1900 eine schwangere Ziege kaufte. Seine Großmutter hielt dann bereits um die 15 Ziegen (und ein paar Kühe, um Butter zu machen), hatte aber nur in der Sommersaison, von Mai bis September genug Ziegenmilch für Käse.
Aus dieser Zeit stammt die Tradition des Kaffeekäse, mit dem mich Svein überraschte. Der Schnittkäse an sich ist nichts ungewöhnliches und in etwa an Gouda angelehnt. Doch in zentimetergroßen Würfeln im heißen schwarzen Kaffee? Das war mir neu. Schmeckte aber gut, und macht natürlich Sinn, wenn man darüber nachdenkt, daß in diesem abgelegenen Teil Norwegens sich so die frische Milch des Sommers am besten über den langen Winter konservieren ließ (Svein erzählte dann allerdings, sie würden auch getrocknetes Fleisch im Kaffee essen – Kaffee als Suppe, why not?).
Doch Svein hatte viel mehr zu bieten. Er hatte nämlich den Dærga mitgebracht, einen 10 (zehn!) Jahre alten Ziegenhartkäse, der tatsächlich überhaupt nicht streng oder scharf oder in irgendeiner Weise negativ alt schmeckte. Er reift in der Bergluft, und die Rinde ist angeblich nach einem Jahr so trocken, daß er dann weder geschmiert noch sonstwie behandelt werden muß, um unerwünschte Schimmelkulturen oder Milben zu vermeiden. Grandios. Nach dem Preis habe ich allerdings gar nicht erst gefragt, denn zehn Jahre, handwerkliche Herstellung UND norwegisches Preisgefüge… Meine Begeisterung schmälert das aber keineswegs. Es folgte eine neue Käse-Kreation, anläßlich des 50. Jubiläums des Børgefjell Nationalparks 2013: ein beinahe ein halbes Jahr gereifter runder Frischkäse, der dezent mit Blauschimmelkulturen versetzt war und außen geascht. „Ich wollte einen Käse machen, der wie ein Fels in den Bergen aussieht,“ erklärte mir Svein, „und er sollte die vier Farben der Landschaft vereinen: schwarz, grün, blau und weiß.“ Das ist ihm in der Tat gelungen, und zwar mild und intensiv zugleich. Innerlich war ich schon dabei, meine nächste Norwegen-Reise zu planen… Svein sagte, er würde im Winter viel reisen und Eindrücke sammeln, und diese Offenheit gefiel mir gut, zumal sie mit einem selbstverständlichen Heimatgefühl gepaart war.
Zu letzterem gehört selbstverständlich Brunost, DER norwegische Käse schlechthin, gleichzeitig aber auch etwas ganz anderes als nur Käse, nämlich Dessert, Konfekt, Nougat… Brunost, auch Geitost genannt, wird durch das extreme Einkochen der Molke erzeugt. Aus 400 Liter Molke entstehen 35 Kilogramm hellbraun karamelisiertes Konzentrat mit Suchtpotenzial. Svein sagte, er gebe 100 Liter frische Ziegenmilch hinzu, wenn die Molke anfange zu karamelisieren, und vielleicht ist das das Geheimnis der extrafeinen Qualität seines Stoffs. An diesem Punkt stand für mich endgültig fest, daß ich wieder nach Norwegen MUß. Heia Norge!
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