Die Nacht war rot: drei deutsche Spätburgunder

Spätburgunder und ich, wir haben so ein richtiges Liebhaß-Ding am Laufen. Er (und da gibt es wirklich keinen Zweifel, für mich ist er eindeutig ein „er“) kann so köstlich sein, so total anziehend, unwiderstehlich quasi, und doch so grausam. Letzteres findet frau allerdings erst am nächsten Morgen heraus: Es gibt nichts Schlimmeres als die morgendliche Joggingrunde mit Spätburgunderwatteschwaden im Kopf…

3Sptb1Ich bin nicht sicher, warum das so ist, glaube aber, daß die niedrigen Erträge, langen Gärzeiten und der ausgedehnte Maischekontakt, die bei wirklich großartigen Typen dieser Art unweigerlich im Spiel sind, gleichzeitig auch den einen oder anderen Stoff bilden, der für diesen unlustigen Nebeneffekt sorgt. Trotzdem, von Zeit zu Zeit ist es wunderbar, der Versuchung nachzugeben statt ständig vernünftig zu sein. Folglich habe ich vor kurzem die Nacht mit drei wunderbaren roten Kerlen zugebracht.

Alle drei kamen aus Deutschland und aus 2011. Sie benahmen sich tadellos, aber vorsichtshalber holte ich mir ein bißchen Rückendeckung in Form von Käse, um nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Der Recis von Rudolf May in Retzstadt/Franken war der männlichste, mit Cassis- und Dillblütenaromen und ziemlich viel Holz. Nicht gerade der Kuschelbär, aber plötzlich voller Eleganz, als er auf den Südtiroler Alpkäse traf, der in Lagreintrester gereift war – JA.

3SptbRiffelcheeseSehr viel zu- und umgänglicher war der Mariage von Carolin und Erik Riffel in Bingen/Rheinhessen. Nicht gerade zierlich, mit einer Menge leckerer roter Kirschen im Gepäck, fiel er förmlich über einen schön gereiften Charolais Ziegenkäse aus dem Burgund her. Beide schienen komplexer und dichter als einzeln für sich, und sie schienen mehr als glücklich, mich in ihre Mitte zu nehmen. Wieviel Spaß wir hatten in dieser Mariage à trois!

3SptbMaxGrüncheese

Von dem dritten Kerl hatte ich schon viel gehört, ihn aber nie kennengelernt. 2011 ist der erste Jahrgang Spätburgunder des ansonsten Riesling-fokussierten Weinguts Maximin Grünhaus an der Ruwer. Sie haben diese Reben 2007 gepflanzt und damit eine alte Tradition wieder aufleben lassen. Ganz offensichtlich haben sie auch schon den einen oder anderen Spitzen-Burgunder getrunken… Elegante herbe Gerbstoffe schmiegten sich an süße rote Beeren, dazu ein Touch dunkle Schokolade und genau der richtige Kick bittere Kräuter wie in einem italienischem Amaro, mit der Säure, die ganz hinten diskret aber erfolgreich daran erinnerte, daß Wein getrunken gehört: Hand zum Glas, Glas an die Lippen… Wir sahen uns tief in die Augen, waren gerade dabei, die Welt um uns zu vergessen, da stieg plötzlich etwas wie Schüchternheit in uns auf. Ein wenig peinlich berührt waren wir beide glücklich über den Käse, einen halbgereiften Pecorino aus der Maremma. Dank Zitronenschalenduft und Schafsmilch-Üppigkeit hatte er sofort alles souverän im Griff. Und ich berichte der Vollständigkeit halber: die Joggingrunde am nächsten Morgen fand statt.

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