Heinzelcheese #75 Space Odyssey – wir machen weiter: Freitag, 22. Januar 2021

Unser erstes Treffen am virtuellen Heinzelcheese-Tisch kurz vor Weihnachten hatte sich so vergnüglich gestaltet und die allgemeine Lage war weiterhin so das Gegenteil davon, daß uns nur die Flucht nach vorn blieb, mit der zweiten Odyssee im Heinzelcheese-Zoom Space. Und wieder wart Ihr eine tolle Gruppe, räumlich von Beinahe-Gegenüber-Nachbarn über ganz Berlin bis nach Süddeutschland und Kapstadt (!) verteilt. Bis auf letzteren Standort hattet Ihr auch alle bei Alte Milch und Suff in der Markthalle Neun eingekauft.

Wir begannen ausnahmsweise mal nicht mit Bubbles, sondern einem ebenso belebenden Schluck trockenen Riesling von der Nahe, dem 2019 Unplugged von Martin Tesch aus Langenlonsheim. Ich erzählte Euch ein bißchen was dazu, aber dann ging es auch schon zum ersten Käse, dem Husumer von Thilo Metzger-Petersen von der Hofkäserei Backensholz in Schleswig-Holstein. Der kleine halbfeste Schnittkäse war wie sämtliche Käse dieses Mal aus roher Kuhmilch und duftete innen nach frischer Milch, außen nach nasser Erde und Ammoniak – anfangs wirkte er eher verhalten, entwickelte sich aber zunehmend und gefiel Euch allgemein zum Riesling. Wir übten „Käse-Verkosten“: außen riechen, innen riechen, mit der Zunge am Gaumen zerdrücken statt kauen, und ständig beobachten, hin“hören“.

Der Urstromtaler aus Baruth bei Berlin war eigentlich ziemlich ähnlich gemacht – und doch ganz anders. Weicher, der Teig noch diskreter in den Aromen, wie frische Milch befand jemand, die Rinde leicht an Bauernhof erinnernd; es grüßten wiederum unsere alten Freunde, die Rotschmierkulturen. Mit sieben Wochen Reife hatte die äußerst gehaltvolle Jerseymilch eine leicht bittere Note entwickelt, die allerdings zu aller Überraschung ausgesprochen gut mit dem Riesling harmonierte!

Zum Taleggio aus der Lombardei hingegen – ebenfalls ein rotgeschmierter Weichkäse, wenn auch etwas größer – ging der Weißwein ziemlich unter. Diesen Pilzaromen, der lebhaften Säure, gehörigen Menge Salz und einer etwas zäh am Gaumen klebenden Textur auf Käseseite war er nicht gewachsen. Aber wir hatten ja Rotwein, den wunderbar lebendigen, saftigen, gar nicht schweren und doch von einer spannenden Kräuternote akzentuierten 2018 Montefalco Rosso von Roberto di Filippo aus Umbrien. Ich denke ausgesprochen an meinen Besuch dort vor einigen Jahren zurück, als ich die Pferde und Gänse auf dem biodynamisch geführten Weingut erlebte – und Roberto mich sogar mit regionalen Käsen überraschte! Damals war kein Taleggio dabei, aber die Kombination gefiel Euch allen ausgesprochen gut.

Damit gingen wir zu den beiden Hartkäsen über, die ich ausgesucht hatte, weil bei ihrer Rindenbildung ebenfalls Rotschmierkulturen am Werk waren. Beim Comté – 18 Monate, von Marcel Petite – ist das allerdings kaum noch zu spüren, der roch außen eher würzig, nach Holz und Pilzen und innen nach Butter und Karamell. Wir unterhielten uns über die Herkunft dieses Käse aus dem Jura, Frankreichs meist konsumierten, der Landschaft und dem Genossenschaftssystem, auf dem diese Beliebtheit basiert. Hier lief der Riesling wiederum zu Hochform auf, tanzte seine Frucht mit den ebenfalls fruchtig wirkenden, aber Euch auch an Tabak erinnerten Aromen des Comté und seiner großartig sämigen Art.

Und schließlich, aus einem Seitental des Emmental bei Bern in der Schweiz der Cironé, mit einer wachsig wirkenden, dunkelbraunen „Schokoladen“-Rinde, etwa 22 Monate gereift. Der Teig war leicht brüchig (durch die Winter-Heumilch), duftete und schmeckte wie Nußbutter, mit einigen Knusperkristallen; er konnte mit Weiß- und Rotwein und machte Euch, uns, alle glücklich. Ich war richtig stolz auf Euch, daß niemand igitt schrie, als wir über Milben und ihre Rolle bei der Reifung dieses Käse sprachen. Wahre Heinzelcheesetalker, bravo! Danke für diesen schönen Abend, paßt wieder gut auf Euch und bis bald – cheesio.

Zu Präcorona-Zeiten fanden HeinzelCheeseTalks rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, schräg gegenüber vom Suff-Weinstand (coronabedingt sind wir dann zwischenzeitlich ein bißchen auseinandergerückt, bis auch das nichts mehr half). Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die vierzehn Plätze werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein…

PS: Ihr werdet vielleicht bemerkt haben, daß ich diese Space-Treffen nicht „mitzähle“, sonst wäre das jetzt Heinzelcheesetalk #75. Sollte es das? Aus meiner Sicht nicht, weil es doch etwas ganz anderes ist, ich Euch nicht Besonderes und Ausgefallenes für Käsebrettchen und Weingläser mitbringen kann. Deshalb warte ich eher ab, wie sich das Leben so sortiert… freue mich aber nichtsdestotrotz auf Euch!

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