Heinzelnews im Oktober 2023: Nordisches Aroma, südliche Leichtigkeit und der Tod. Oder: Bauerntaler, Sonntaler, und Being Mortal.

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Eine Freundin hat mich neulich ermahnt, es sei absolut überflüssig, an dieser Stelle die Probleme der allgemeinen Weltlage zu erwähnen, die seien uns allen mehr als bewußt. Kapiert. Und deshalb auch keine von Herbstmelancholie bestimmte Einleitung! Sondern sofort Käse. Ich war neulich endlich mal wieder in Südtirol, habe endlich Michael „Eggemoa“ Steiner in Mühlwald besucht (großartig; davon an anderer Stelle bald mehr) und in Ahrntaler Graukäse geschwelgt. Den ich Euch hier eigentlich (mal wieder) ans große Käseherz legen wollte – da allerdings selbst die Heinzelcheesetalker beim letzten Treffen in der Markthalle Neun damit so ihre Probleme hatten, hier ein ganz anderer Kandidat.

Riecht aber auch nicht schlecht. Thilo Metzger-Petersen hatte mir diesen Bauerntaler mitgegeben, als ich ihn Ende August endlich mal wieder in Backensholz (Ihr erinnert Euch, in Husum, ganz oben in Deutschland, an der dänischen Grenze) besucht habe. Verdiene eigentlich mehr Aufmerksamkeit, sagte er dazu, und ich solle ihn noch mindestens zwei Wochen reifen lassen. Daraus wurden beinahe drei… und jetzt ist der kleine Kerl mit der rotgeschmierten, aromatischen und leicht sandig-knirschigen Rinde zusammen mit dem Friesisch Blue (den Thilo auf dem Bild als Rohling präsentiert) mein neuer Backensholzer Liebling! Der größte Teil davon geht im Hofladen der Rohmilchkäserei über die Theke, aber es gibt ihn auch im Online-Shop.

Für den Wein jetzt einen großen Sprung zurück über die Alpen, nach Kurtatsch, ganz im Süden von Südtirol. Ich habe mir in der letzten Zeit viele Gedanken über den Vernatsch gemacht, die traditionelle rote Brot und Butter-Sorte des Gebiets. Der wird wie sein Württemberger Synonym gern als zu hell, zu weich, zu leicht belächelt, obgleich er ja eigentlich als leichter Rotwein genau im Trend liegen müßte – wären da nicht oft Alkoholangaben (die heutzutage erfahrungsgemäß eher ab- als aufgerundet werden) von 14% und mehr. Leicht?!? Nicht wirklich. Doch auch hier zeichnet sich der Gegentrend ab, von alten Reben und dem Bestreben in Weinberg und Keller, tatsächliche Leichtigkeit auf die Flasche zu bringen. Dann entstehen Weine wie der 2020 Sonntaler Vernatsch der Kellerei Kurtatsch, von 60 bis 90 Jahre alten, an Pergeln gezogenen Reben, deren Trauben ganz am Anfang der Lese geerntet werden. 12,5% und (sorry, kurze jahreszeitlich bedingte Anwandlung) so sanft und wohltuend wie die letzte warme Sonne im Herbst. Und: ziemlich wunderbar zum Bauerntaler!

Der Lesestoff hingegen hat nichts mit der Jahreszeit zu tun, dieses Buch stand schon lange auf meiner Liste. Atul Gawande ist ein in Boston praktizierender Chirurg mit indischen Familienwurzeln, der sich zugleich als populärwissenschaftlicher Autor einen Namen gemacht hat. In Being Mortal: Illness, Medicine, and What Matters in the End schreibt er vom Altwerden und Sterben und wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Müssen Altersheime grausliche Orte sein? Sind Ärzte gute Ratgeber im Umgang mit dem Lebensende?

Being mortal is about the struggle to cope with the constraints of our biology, with the limits set by genes and cells and flesh and bone. Medical science has given us remarkable power to push against these limits, and the potential value of this power was a central reason I became a doctor. But again and again, I have seen the damage we in medicine do when we fail to acknowledge that such power is finite and will always be.

We’ve been wrong about what our job is in medicine. We think our job is to ensure health and survival. But really it is larger than that. It is to enable well-being. And well-being is about the reasons one wishes to be alive.

Klingt vielleicht heavy, ich fand es aber genau das Gegenteil. Wie der französische Philosoph Michel de Montaigne in seinen Essais Ende des 16. Jahrhunderts schrieb: „Es ist ungewiß, wo der Tod unser erwartet; erwarten wir ihn überall. Die Besinnung auf den Tod ist Besinnung auf die Freiheit.“ Ich wünsche Euch viele gute Momente und Tage, Käse, Weine und Bücher im Oktober!

PS Im Oktober gibt es ausnahmsweise keinen Heinzelcheesetalk in der Markthalle Neun, weil ich erstens gerade zuviel in der Weltgeschichte herumdüse und zweitens die Vorbereitungen für die Cheese Berlin im November auf Hochtouren laufen. Das wird aber mehr als kompensiert werden, mit einer ganzen Reihe großartiger Heinzelcheesetalk Specials am 11. und 12. November, versprochen! Mehr dazu in den nächsten Heinzelnews – cheesio.

2 Gedanken zu „Heinzelnews im Oktober 2023: Nordisches Aroma, südliche Leichtigkeit und der Tod. Oder: Bauerntaler, Sonntaler, und Being Mortal.“

  1. Liebe Ursula, es ist immer sehr informativ und unterhaltsam deine Berichte zu lesen. Danke für die vielen Infos.
    Leider sind wir am 11. und 12. November wieder nicht in Berlin.
    Sehr schade, aber ich werde mir dann Käse und Wein zu einem nächsten Podcast von Dir gönnen.
    Herzliche Grüße
    Petra

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