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Grauer Käse… Klingt nicht gerade sexy. Und dann wird der arme Kerl im Ernstfall auch noch mit Essig und Zwiebeln zwangsbeglückt! Das muß ein Ende haben. Hier ist mein Plädoyer: liebe Leute, hört endlich mit dem Graukäse-Dissen auf und schmeckt stattdessen mal richtig hin. Wer jetzt den Kopf schüttelt und weiter klicken will, weil er bis jetzt nur lauter Fragezeichen sieht (Was zum Käseteufel ist Graukäse? Wovon redet sie eigentlich?): es geht um das Südtiroler Pendant zum Handkäse-Harzer-Korbkäse.
Mit dem Unterschied, daß die norditalienische Variante wesentlich großformatiger daherkommt, im Idealfall aus hervorragender, roher Milch entsteht und daher gut gereift geschmacklich viel zu bieten hat. Unsere erste Begegnung war idyllisch: die schneebedeckten Gipfel der Dolomiten umgaben uns, die Sonne strahlte vom blauen Himmel, die Luft prickelte noch frühlingsfrisch, war aber am Mittag doch mild genug, um auf der Terrasse des Berghofs zu sitzen. Der Vormittag war den Weinen eines der besten Produzenten Südtirols gewidmet gewesen, die Mittagspause samt Jause daher redlich verdient. Der Kellermeister als Gastgeber bestellte, auf den großen Tisch kam regionale Kost: Speckknödelsuppe und Speck, Schlutzkrapfen und Kalbskopf, Vintschgauer und Schüttelbrot. Und: Graukäse. Nach der großen Scheibe zu urteilen, mußte dies ein ziemlich hohes, rundes Prachtexemplar von mindestens fünf Kilo gewesen sein. Unausweichlich war der arme Kerl mit Zwiebeln und Essig angerichtet – das störte mich zwar in diesem Moment nicht (ganz im Gegenteil, nach all dem Wein war es ausgesprochen gelüstig), aber bei näherer, kulinarhistorischer Betrachtung zeugen die beiden Aromabolzen nicht gerade von Respekt für den Käse als solchen. Idylle hin oder her, genau genommen waren sie ein Armutszeugnis in Sachen kulturelles Selbstverständnis – damit überschüttet man nichts, auf das man stolz ist.
Nun ist man ja auch nicht immer zwangsläufig auf alles stolz, was die Natur sich an Eßbarem abringen läßt. Die Familie der Sauermilchkäse, zu der neben Graukäse und Harzer & Co auch der norwegische Pultost gehört, ist ohne Zweifel mehr aus der Not als aus der Tugend entstanden, als Resteverwertung der Butterproduktion. Man ließ die reichlich vorhandene säuerliche Magermilch vollends gerinnen, erhitzte sie in vielen Fällen, hing sie in Tüchern auf, um die Molke abtropfen zu lassen, mischte unter den entstandenen Quark Salz und preßte ihn in Formen. In kleine Körbe oder Holzformen oder auch einfach mit den Händen in den mitteldeutschen Landstrichen, in eher größere runde oder rechteckige Holzformen in Südtirol.
Dort in den Bergen lagerten die Käse dann auf Tannenholzbrettern, wurden regelmäßig gewendet, aber sonst nicht weiter behandelt, so daß sich keine Rinde, sondern nur ein wenig Schimmel bildete. Im Gegensatz zur dünnen Milch ließ sich dieses feste Konzentrat nun nicht nur zur Feldarbeit mitnehmen, sondern bot auch ein längeres Zeitfenster der Haltbarkeit. Ob die feste Form auch in Sachen Geschmack einen deutlichen Vorteil gegenüber der flüssigen bietet, ist eben genau das: Geschmacksache. Ich bin mit Harzer groß geworden, ich liebe das Zeug. Und: handwerklicher Graukäse kann wie gesagt sehr lange reifen, wird dann so kremig, daß er an reifen Brie erinnert – und paßt in dieser Form tatsächlich großartig zu konzentriertem, nicht zu jungem trockenem Silvaner, aber auch fruchtbetontem Spätburgunder.
Essig und Zwiebeln? Finden bitte irgendeine andere Verwendung. Und wer mehr über die alpenländischen Formen dieses Urkäse erfahren möchte, der schaut sich hier Dominik Flammers wunderschönen Film vom kulinarischen Erbe der Alpen an.
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Hallo ihr Geniesser,durch Zufall kam ich auf euren Bericht über den Graukäse.Hat mit dem Harzer fast nichts Gemeinsam,weder die Form,noch der Geschmack ,Die Art der Zubereitung auf dem Teller ist unterschiedlich,entweder geniesst man den „Grauen“mit frischer Butter oder mit Weinessig(Hausgemacht)und mit Zwiebeln,eventuell mit Olivenöl….alle anderen Varianten der Zubereitung sind dem Fremdenverkehr geopfert. Mit freundlichen Grüssen, Arnold Gietl. Ps.bin selber Südtiroler und vor 3 1/2 Jahren nach Norddeutschland gezogen.