Heinzelcheesetalk #74 Space Odyssey – aus Trotz und Sehnsucht: Freitag, 18. Dezember 2020

Corona hin, Corona her – Heinzelcheesetalk muß sein. Trotz aller Einsicht in die Einschränkungen konnte das einfach nicht so weitergehen! Wir können doch dieses Jahr nicht einfach so entlassen, ohne noch einmal zusammen etwas Käse auf die Zunge zu nehmen und mit unserem rituellen Freitagabend-Bubbly anzustoßen, dachte ich mir etwas trotzig. Und deshalb war mein Weihnachtsgeschenk an Euch ein erstes Treffen zur Heinzelcheese-Space Odyssey, virtuell. Das hat schließlich auch Vorteile: wir saßen kuschelig kuschelig warm und distanziert zuhause, und der Tisch war so groß, wie wir, Ihr ihn haben wolltet!

Und Ihr wolltet ihn tatsächlich ziemlich groß: zu 23 saßen wir zusammen und waren nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Heidelberg, Dortmund, Frankfurt am Main und München ins Heinzelcheese-Space gebeamt. Noch beeindruckter war ich davon, daß die allermeisten tatsächlich trotzdem die Käse und Weine der Einkaufsliste bei Alte Milch und Suff in der Markthalle Neun besorgt hatten.

Da saßen wir also und stellten uns erst einmal vor, stießen mit dem hefetrüben Pet Nat Olé aus Xarello (und ein bißchen Macabeu) von Suff/Entre Vinyes aus dem Penedès an und fanden uns zurecht. Dann: Käse. Wir hatten handgeschöpften Frischkäse von dem neuen Brandenburger Startup Urstromkaese (mehr dazu ganz bald beim Käse des Monats für Januar – watch this space!), gefolgt von ganz ähnlich gefertigtem Ziegenkäse aus Belgien, dem Aurélie der Kaasmakerij Karditsel. Der war eine Stufe weiter in der Entwicklung, hatte eine dünne Rinde, eine runzelige Haut aus Hefe und war würziger (manche empfanden es eher als schärfer) da aus erstklassiger Ziegenmilch. Zu beiden gefiel Euch der Pet Nat gut, und auch der Cava am Heidelberger Standort schien zu passen.

Es folgte ein ganz anderer Käse, Toma Pietra, ein Weichkäse aus Kuhmilch, von der Käserei Oudwijker in den Niederlanden (auch eine Neugründung!) nach einem traditionellen norditalienischen Rezept gemacht. Der dichte, in der Mitte noch ganz leicht quarkig bröckelige Teig klebte ein bißchen am Gaumen, doch dann kam eine feine Säure dazu, und das intensive Aroma der graubraunen Rinde. Die beschäftigte Euch sehr, Ihr konntet Ammoniak, Pilze, Erde, Kellerwand erriechen und wolltet ganz genau wissen, wie so etwas entsteht: die Käserinden-Mikrobiologin, die ich erwähnte, heißt Rachel Dutton, und dieses Video ist ein guter Einstieg in ihre Arbeit…

Der Pet Nat wußte hier nicht so richtig wohin mit seiner Kohlensäure, und Ihr befandet einstimmig den Rotwein für geeigneter. Der 2019 Kalkstein Blaufränkisch von Claus Preisinger aus dem Burgenland am nördlichen Ende des Neusiedler Sees hatte die wunderbare lebendige, transparente Kirschfrucht, die diese Sorte so besonders macht, und doch ausreichend Körper, um dem gereiften, aromatischen Milchkonzentrat aus den Niederlanden auf Augenhöhe zu begegnen.

Wir blieben in den Niederlanden: Remeker Typ der Familie van de Voort. Der Ausnahmekäse, der einst ein Gouda war… und jetzt mürbe, buttrig, schmelzend einfach nur ganz er selbst ist. Wiederum aus Jersey-Milch, mit Ghee eingerieben – und nein, gibt es nicht im Supermarkt, kann es nicht im Supermarkt geben, darüber sprachen wir auch. Solche Käse lassen sich nur unter bestimmten Bedingungen und daher in begrenzten Mengen produzieren, und jede Gelegenheit, ihnen überhaupt zu begegnen, ist ein Grund zur Freude!

Schließlich: Colosso. Nochmals von den Oudwijkern, diesmal aus Büffelmilch und an den Gorgonzola Dolce angelehnt. Und dann doch ganz anders – „der braucht ja gar keinen Portwein, der schmeckt auch so!“ kam ein erstaunter Kommentar. Etwas fester als sein Vorbild, mit ausgeprägterem Blauschimmel, der all der Kremigkeit etwas beinahe Knuspriges hinzufügte, genauso wie die Süße der (ziemlich opulenten) Milch durch heftig-pilzige Umaminoten ausbalanciert wurde. Beide Weine vertrugen sich gut damit.

In dem Moment hätte ich Euch gerne spontan einen Weihnachtsbonus-Überraschungswein eingeschenkt, das fehlte mir – aber ansonsten lief es aus meiner Sicht wirklich gut, und war anders, aber ebenso intensiv und inspirierend wie unsere Treffen in der Markthalle. Danke für Eure Offenheit und Begeisterung und Bestätigung. Danke überhaupt… paßt auf Euch auf, feiert trotz allem, so gut es geht. Ich wünsche Euch Gelassenheit, Offenheit, Hoffnung, Zuversicht, und uns allen ein etwas weniger herausforderndes 2021. Cheesio!

Zu Präcorona-Zeiten fanden HeinzelCheeseTalks rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, schräg gegenüber vom Suff-Weinstand (coronabedingt sind wir dann zwischenzeitlich ein bißchen auseinandergerückt, bis auch das nichts mehr half). Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die vierzehn Plätze werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

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