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Nein, ich war nicht in Japan. Aber ich könnte mir keinen geeigneteren Käse für den letzten Monats dieses ungewöhnlichen, verrückten Jahres vorstellen als diesen kleinen runden Kerl aus Kuhmilch von Chiyo Shibata aus Ōtaki, eine Stunde südöstlich von Tokio. Weil er zeigt, wie wunderbar das Heinzelcheese-Netzwerk allen Widrigkeiten zum Trotz funktioniert! Von Mike Thomsons Young Buck aus Nordirland habt Ihr hier im Mai 2015 gelesen, weil ein Freund ihn mir direkt aus der brandneuen Käserei aus Belfast mitgebracht hatte, heute gibt es ihn bei Alte Milch der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg. Ob der Takesumi es je in eine Berliner Käsetheke schaffen wird, wage ich zu bezweifeln – aber wer weiß?
Mitgebracht hat ihn Tomoko Akashi, die mit ihrem Mann Walter Umami Japan betreibt, nachdem mir die beiden von einer japanischen Käserin erzählt hatten (danke!!!!!), die mit selbst gesammelten japanischen Kulturen in einem alten, abgelegenen Bauernhaus arbeitet. Alles sehr außergewöhnlich und spannend, und irgendwann davon mehr (oder schaut mal hier). Heute nur soviel: Chiyo Shibata sagt, sie möchte Käse machen, in denen Japan zu schmecken ist. Sie sagt auch: „Ich glaube, Käse ist ein Werkzeug, das uns alle verbindet. Ich möchte nicht mein gesamtes Berufsleben als Käserin verbringen. Mikroben sind gut darin, mit anderen zusammen zu existieren… Sie reichen sich die Hände, um gemeinsam zu leben, und ich möchte in der menschlichen Welt das gleiche machen. Ich möchte teilen, was ich von den Mikroben gelernt habe.“ Wow.
Wie der Takesumi denn nun schmeckt, fragt Ihr? Er ist ähnlich wie ein Crottin gemacht, mit Asche aus Bambus – und natürlich sieht er hier auf den Bildern nicht so aus, wie die Käserin sich das vorstellt! Denn er ist in seinem kleinen Plastikkuppelpalast von Tokio nach Berlin gereist und hat sich dann in meinem Kühlschrank gute vier Wochen vom Klimaschock erholt, hat sich mit dieser neuen Welt und ihren Mikroben angefreundet. Was Ihr hier seht, ist also quasi ein Heinzelcheese-Takesumi. Und der duftete gestern abend ganz fein nach gelben Zitronen, war dichter in der Textur als ein Crottin, aber ebenso feinschmelzend. In den Aromen flirrten ganz kurz junge Zwiebeln auf, dann glitzerte ein Schwarm kleiner Fische vorbei, alles getragen von wunderbar ruhiger, weiterhin an Zitronen erinnernder Säure – wie eben eine Kuh mehr Ruhe ausstrahlt als eine Ziege, und trotzdem ganz lebendig ist.
Chiyo Shibata empfiehlt zum Takesumi Sake (was ich heute abend ausprobieren werde), ich habe gestern den 2019 Riesling La Roche von Katja und Jens Baeder dazu getrunken, mit großem Vergnügen. Noch ein Händereichen und Zusammenleben. Wo immer Ihr seid, und auch wenn gerade nicht so viele tatsächliche Hände in Reichweite sind: zusammen geht trotzdem. Immer. Irgendwie. Danke, daß Ihr alle da seid.
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