Heinzelcheesetalk #71: Quarantänefreier Ausflug nach Spanien und Frankreich. 14. August 2020

Was bis jetzt absolut gar nichts geschafft hat, nämlich uns, Euch, mich von unserm Tisch in der Markthalle Neun und dem monatlichen Heinzelcheesetalk rund um Käse (und Wein) abzuhalten: Corona hat’s vollbracht. Denn Treffen ging natürlich gar nicht, die Halle hatte Glück, daß sie den Grundversorgungsbetrieb aufrecht erhalten durfte und konnte und dann auch wieder Gastronomie möglich war. Es war und ist immer noch total verrückt, surreal, für manche aber leider sehr real… Doch dann endlich, nachdem wir gekocht, uns arrangiert, an neue Umgangsformen gewöhnt hatten, trafen wir uns in der Nähe „unseres“ Tisches, in krisengerechter, lockerer Aufstellung.

Wir reisten vollkommen quarantäne- und testfrei nach Spanien und nach Frankreich, dachten über die Zeit nach – und genossen einfach das Zusammensein: zusammen hinschmecken, hinriechen, sich austauschen… there is a crack in everything, and that’s where the light gets in.

Wir begannen mit Comté, diesem zuverlässigen Begleiter durch gute und schlechte Zeiten, dem meist verkauften und gegessenen Käse Frankreichs, der im Jura durch den Zusammenhalt vieler entsteht, und schmeckten uns durch vier verschiedene Qualitätsstufen und Stilistiken aus Berliner Käsetheken. Vorher mußten aber natürlich Bubbles in die Gläser – sehr erfrischender spanischer PetNat von den Suffköppen – und dann der großartig gereifte, eigentlich zeitlose 2012 Löhrer Berg Riesling von Martin Tesch von der Nahe und der 2018 GPS der Domaine Pignier, ein Côtes du Jura Blanc aus Gamay Blanc bzw. Chardonnay, weiß gekeltertem Poulsard und Savagnin. Gefiel Euch allen gut, weil die Frucht beider Weine die konzentrierte, gereifte Milch mit all ihren Butter- und Nußaromen förmlich tanzen ließ.

Zur weiteren Erfrischung gab es 2015 Narince von Kayra aus Anatolien, ein Heinzelcheese-Favorit und allgemein unterschätzter Käsebegleiter, der mir im Keller in die Hände gefallen war und unbedingt zu diesem Ausflug in Urlaubsgefilde gehörte. Als Vergleich zum Comté hatte ich außerdem aus der Käse-Schatzkammer ein Stück Alpe Loch vom Juli 2018 mitgebracht – ganz ähnlich gemacht und doch so ganz anders.

Dann: Spanien! Genauer gesagt Menorca und die Hafenstadt Mahón bzw. auf katalanisch Maó. Menorca, Mallorcas kleine Schwester, blickt aus eine bewegte Geschichte mit sehr vielen kulturellen Einflüssen zurück – Karthager, Byzanz, Cordoba, Briten, Franzosen… hin und her, her und hin, und schließlich Spanien. Ursprünglich gab es hier ebenso viele Schafe wie Kühe, heute ist die Milchwirtschaft von Menorca eine der mediterranen Ausnahmen, weil die Kühe dominieren. Mahón wird auf etwa 600 kleinen Höfen von Oktober bis Juni produziert, wenn die Weiden grün und saftig sind, und von Händlern wie Quintana als junger Käse aufgekauft. Sie lassen ihn weiterreifen und reiben die quadratischen Laibe mit Olivenöl und Pimentón ein. In seinen verschiedenen Reifestudien ist dies einer der beliebtesten Käse Spaniens.

Ich hatte das Quintana-Team auf dem Salon du Fromage in Paris Anfang März kennengelernt (also in einem früheren Leben) und große Stücke vom Semi-Curado (zwei Monate), Curado (fünf Monate) und Añejo (zehn Monate) mitgebracht, die seitdem vakuumiert in meinem Käseschatzkühlschrank auf ihren Einsatz gewartet hatten. Ihr wart von der vehementen Säure des jüngeren Käse (die sich in den zusätzlichen Zwangsreifemonaten deutlich gesteigert hatte) nach der milden Nussigkeit des Comté erst einmal etwas schockiert. Aber der glockenhelle Fino Sherry, den Herrmann und Wernher mitgebracht hatten, brachte das alles wieder ins Lot. Und die anderen beiden Mahón kamen ebenso ausdrucksvoll aber ausgewogener daher.

Den Mahón in seinen Variationen mit Euch zu verkosten erinnerte mich einmal mehr daran, wie anders die spanische Käsekultur aufgestellt ist, im Vergleich zu Frankreich, Italien, Deutschland, der Schweiz… wunderbar. Und genau der richtige Moment, um die Flasche Vin Jaune von Champ Divin aus meinem Keller zu öffnen, ein sieben Jahre im nicht ganz vollen Barriquefaß „sous voile“, also unter einem Hefeschleier gelagerten, knochentrockenen Savagnin. Ein gelbfruchtignussiges Konzentrat, Elixir, Nerven- und Seelenaufbaustoff. Vertrug sich mit allem, was Ihr noch an Käse auf den Brettern hattet und bildete mit dem aromatischen Chevrotin, quasi ein Ziegen-Reblochon, einen mehr als würdigen Abschluss.

Cheerio und cheesio Ihr Lieben – Ihr wart eine wunderbare Gruppe für diesen Neu-Start! Danke. Paßt weiter gut auf Euch auf. Reisen läßt es sich auch ohne Auto oder Flugzeugticket…

HeinzelCheeseTalks finden (normalerweise) rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand (oder in dieser Ecke – coronabedingt müssen wir ein bißchen auseinanderrücken). Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!

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