Heinzelwein-Dreier für den Juni 2020: Zweimal weiß und trocken und ein Gedanke zum „Leicht haben“ von Katharina Hacker

Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Es hört nicht auf… die Welt liegt im Argen, all der viel zu lange unter den Teppich gekehrte Dreck quillt uns entgegen. Nein, ich bin nicht plötzlich zur Pessimistin mutiert, finde es aber wirklich schwierig angesichts der gegenwärtigen Nachrichten noch klare Gedanken zu fassen. Um so wichtiger, es dennoch zu tun (James Baldwin bleibt leider immer weiter hochaktuell). Und gut zu trinken, statt vor Verzweiflung einfach zu saufen. Deshalb hier zwei gute trockene Weißweine, nämlich Huxelrebe von Alexander Gysler (den kennt Ihr schon vom PetNat letzten Monat) und Müller-Thurgau vom Weingut Clauß in Nack am Hochrhein, eine der südlichsten Ecken Badens, zwischen Zürich und Schaffhausen.

Abhängig vom Kenntnisstand in Sachen Wein und Eurem Alter steht jetzt vielleicht ein Fragezeichen vor den durstigen Augen – guter Wein/Huxel/Müller? Echt? Ja, echt. Sind beides sogenannte Neuzüchtungen von Anfang des 20. Jahrhunderts, die viele Höhen und Tiefen mitgemacht haben. Der Müller-Thurgau ist nach einer Durststrecke als aufdringlich blumige Billigware längst zu „cool“ aufgestiegen. Er braucht nur unbedingt Lagen, in denen es nicht zu warm und kuschelig ist, der Riesling (einer seiner Eltern) also Probleme hat voll auszureifen. Der 2019 Müller-Thurgau Wildfang vom Weingut Clauß bringt durch eigene Hefen, den Ausbau im großen Holzfass und die Abfüllung ohne Filtrieren richtig kräftige Noten ins Glas und ausreichend Körper, um ein klassisches Schnitzel (Comfort Food!) bestens zu begleiten.

Trockene Huxelrebe ist eine Rarität. Die Sorte stammt von demselben rheinhessischen Züchter wie die bekanntere, in Sommelierkreisen sehr angesagte Scheurebe, wird aber meist zu (potenziell köstlichen!) Süßweinen ausgebaut. Ich bin mit trockener Huxel quasi aufgewachsen, da der Winzer selben Namens und ihr erster großer Verfechter, Fritz Huxel in Westhofen, der Hauswinzer meiner Eltern war… Der 2018 Huxelrebe Zaubernuß von Alexander Gysler ist der vielleicht letzte seiner Art, weil die Reben nicht mehr mit den steigenden Temperaturen zurecht kamen und nach dem Herbst 2019 gerodet wurden. Großes, sehr trauriges Emoji!!! Denn das ist genau das, was wir im Moment brauchen: tief und leicht zugleich, nach Birne und getrockneten Pfirsichen duftend, unter der gelborangen, würzigen Frucht eine runde und doch sehr lebendige Säure – Trost UND Anregung. Und jetzt mal aus optimistischer Perspektive: Alexander hat noch ein paar Kisten – den Link zum Webshop findet Ihr unten, da gibt es auch die süße Huxel, ein Hammer – bestellen, kaltstellen, und Euch einfach fallenlassen. Geht zur Focaccia, zum Käse, einfach so.

Da Weintrinken aber natürlich nicht die ganze Lösung ist, hier noch einer der Minutenessays von Katharina Hacker. Ich bin auf den schmalen Band ausgerechnet bei einem meiner Lieblingsfleischer gestoßen, als ich in einem früheren Leben kurz vor Weihnachten schlangestand, um die Rehkeule für Familienfest abzuholen. Bücher auf der Fleischtheke – so muß das sein! Der Band heißt „Darf ich dir das Sie anbieten?“, und ich finde vieles darin auf wunderbar spröde Art inspirierend.

Leicht haben

Aus dem Tritt und aus dem Gleichgewicht komme ich, wenn ich es endlich leicht haben will.
Nicht sich mühen und nicht müde sein, nicht wieder an eine Sorge denken, auch nicht frieren und keinesfalls verzweifeln. Leicht soll es sein, mindestens ein paar Tage, um wieder Kraft zu schöpfen. Doch so kommt es ja nicht, und ich schlingere in den Tagen.
Schließlich gebe ich den Gedanken auf und füge mich. Es wird nicht leicht sein. Warum auch? Warum sollte ausgerechnet ich es leicht haben? Mürrisch gegen mich und das Leben raffe ich mich zusammen.
Dann wird es gleich leichter.

Es ist und wird nicht leicht, aber wir werden da durch kommen.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, oft in Gedichtform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: den Müller-Thurgau könnt Ihr hier bestellen (anrufen oder mailen), den Huxel gibt es hier und die Minutenessays findet Ihr hier. Trinken, schauen, schmecken, denken, leben müßt Ihr wie immer selbst – keep safe!

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