Hurra! Alexander Gysler vom gleichnamigen Weingut in Weinheim bei Alzey ist nach Berlin gekommen, er hat Wein mitgebracht – und ich habe dazu Käse organisiert, die ebenso nach biodynamischen Grundsätzen entstanden sind, wie sie beim Weingut Gysler gelten. Aber was bedeutet das eigentlich? Super-Bio? Spinnerei? Kuhhörner vergraben bei Mondenschein? Und: wie macht es sich bemerkbar? Kann man das schmecken?
Wir begannen mit gleich zwei Schäumern, dem klassischen, sehr eleganten 2014 Pinot Brut aus weißgekeltertem Spätburgunder, und dem roten 2018 PetNat aus der gleichen Lage, naturtrüb und herb. Euch gefiel beides, und beim Käse machte dazu die Leichte Marie vom Hof Marienhöhe bei Bad Saarow den Einstieg. Sehr diskret, aus entrahmter Milch (die Sahne wird zu Butter verarbeitet), vom allerersten Demeter-Betrieb. Gleich hier wurde klar, daß sich die anthroposophischen Prinzipien, die dem biodynamischen Wirtschaften zugrunde liegen, beim Grundnahrungsmittel Milch/Käse etwas anders auswirken als beim „Genussmittel“ Wein: es geht zuerst einmal um den geschlossenen, autarken Organismus eines Hofes und die Versorgung der Menschen, die um ihn herum wohnen – die Qualität muß gut sein, aber eher mehrheitstauglich als elitär. Zuviel kleinteilige „Bastelei“, lange Reifezeiten und entsprechend hohe Preise sind die Ausnahme. Im allgemeinen ist aber die Milch so fantastisch, daß selbst schlichter Schnittkäse wirklich überzeugen.
Alexander schenkte als nächstes den Weißburgunder Sternenglanz ein, einen stillen und doch wunderbar präsenten und leuchtenden Wein, der nach frischen Walnüssen und weißen Blüten duftete und sehr schön mit dem dichten, cremigen Weißen Bollheimer harmonierte. Es folgte trockene Huxelrebe, ein würziger, mineralischer Ausnahmewein – traurigerweise der letzte Jahrgang, weil Alexander die Reben gerodet hat, die mit dem Klimawandel nicht mehr zurechtkamen. Der Wein kam dafür um so besser mit den vier Käsen vom Dottenfelderhof in Bad Vilbel zurecht, vier Schnittkäse, mit Ebbelwoi affiniert, beim Klassiker Möhrenlaibchen mit Rodelika-Möhrensaft versetzt (eine Sorte, die ebenfalls auf dem „Dotti“ entwickelt wurde), sowie mit Kümmel und Chili aromatisiert. Zu letzterem paßte wiederum der Special Selection Pinot Noir Rosé hervorragend…
Alexander erzählte von seinen Lagen und der Umstellung der Wirtschaftsweise, weil er nicht mehr gegen alle möglichen Dinge spritzen wollte, sondern Präparate für etwas ausbringen und seine Kinder jederzeit Trauben pflücken können sollten (mehr zum Weingut Gysler findet Ihr hier). Und schenkte weiter ein: schlank-erfrischende trockene Scheurebe, ebenso trockener Riesling aus der Lage Weinheimer Hölle, sowie der gleiche Riesling als umgeschwefelter, infiltrierter Naturwein, den Alexander „vin vivant“ nennt.
Wir verkosteten uns durch Marienhöher Schnittkäse mit Bockshornklee, sehr schön durchgereiftem „Camembert“ mit Bärlauch vom Hof Lehnmühle an der Nahe sowie deren noch etwas jungem Tortenbrie und den ebenfalls jungen Lehntaler Hartkäse, der Euch alle überzeugte. Auch der Lehntaler Schnittkäse mit Bockshornklee gefiel Euch, nicht zuletzt aufgrund der eher zurückhaltenden Menge an Gewürz. Im Glas dazu (wir schlugen an dem Abend wirklich alle Rekorde: zwölf Weine und sage und schreibe 15 Käse!!!) ein weiterer „lebendiger“ Wein, eine Cuvée aus Weiß- und Grauburgunder, wunderbar herb und tatsächlich voller Lebensfreude. Gereifte Hartkäse von der Lehnmühle (Özi) und Haus Bollheim (Pikantus)waren echte Highlights auf den Brettern, die letzte Flasche von Alexanders 2007 JC Riesling aus meinem Keller ihrer ebenso würdig wie der 2009 Spätburgunder. Zu guter Letzt: Roter Bollheimer, ein rotgeschmierter Weichkäse, dann der Ziegenschnittkäse vom Saanenhof in Nord-Brabant/NL (der Euch bzw. uns alle mehr als überzeugte) und schließlich als „Nur Bio“-Ausnahme Chébis aus den Vogesen, von dem Bioprojekt Bio-Déal – mit einem abschließenden Schluck Huxelrebe-Beerenauslese…
Es war ein Fest und genau das, was wir alle brauchten in diesen Coronavirus-Panik-Zeiten. Auch das Wissen, daß Demeter-Käse bedeuten, daß die Tiere Hörner tragen dürfen bzw. müssen, selbst die 700 Ziegen auf dem Saanenhof. So soll Leben sein. Danke, Ihr Käsemacher, danke Alexander, danke Ihr Fähnlein der Heinzelcheesetalk-Aufrechten!
HeinzelCheeseTalks finden rund einmal im Monat an einem Freitag um 18h in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg statt, an dem langen Tisch gegenüber vom Suff-Weinstand. Ich bringe spannende Käse mit, öffne ein paar Flaschen Wein, wir verkosten, reden, diskutieren, alles ganz entspannt (und größtenteils auf deutsch – obgleich wir es im allgemeinen auch schaffen, den einen oder anderen auf englisch “mitzunehmen”). Die Einladung geht etwa zehn Tage vorher an alle Abonnenten, die sechzehn Plätze am Tisch werden auf Reservierung per Email vergeben, die meinerseits spätestens am Samstag vor dem HeinzelCheeseTalk schriftlich bestätigt wird. Ich freue mich über einen freiwilligen Kostenbeitrag von fünfzehn Euro pro Käsegenießer (bar am Ende des Abends), wenn’s extra viel Spaß gemacht hat, dürfen es auch ein oder zwei Euro mehr sein… cheesio!
Gruess Gott aus Vermont/ USA
Lese gerade “ Vom Kaesemachen“ wunderbares buch , bin von beruf koch habe ein countryinn ( siehe web page) fange gerade an selber kaese zu machen mit einer baeuerin die Jersey Kuehe hat moechte mich auf Alpine Cheese machen konzentrieren
Gruesse
vom Fritz
Hallo Fritz – danke, das freut mich! Sieht super aus, Dein Inn, wenn ich das nächste Mal bei Jasper Hill in Greensboro bin, komme ich vorbei. Zu Deiner Frage nach Käse-Rezepten: da müßtest Du Dich an die Produzenten selbst wenden. Aber die Jasper Hill-Truppe ist dafür auch ein Spitzenkontakt. Viel Erfolg & keep me posted, cheesio, U.