Heinzelwein-Dreier im Juli 2019: Erfrischendes für die Sommertage, Besinnliches aus dem Barock und Yoko Ono

Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Direkter Einstieg: Sommer, Sonne, Strand, Wasser – Frohsinn. Weißwein. Aus sonnigen Gefilden., nämlich der iberischen Halbinsel. Einmal ganz fruchtbetont, rund und wonnig (Melone und Schinken!), einmal duftig, aber etwas herber (Wildkräutersalat! Sashimi!). Beide begegneten mir ganz unverhofft.

Der Finca Valdelagunde Cuvée Especial 2018 der Familie Escudero stammt aus Valladolid in Rueda, von Madrid nordwärts auf halbem Wege zum Atlantik. Es ist reinsortiger Verdejo, der viel Fruchtaromen mitbringt, zugleich aber viel Schmelz, hier noch betont durch den Ausbau im Holz. Zugänglich, unkompliziert, gefährlich trinkbar…

Der Uivo Curtido Branco 2018 von Folias de Baco stammt aus dem Douro im Norden Portugals, knappe drei Autostunden westlich von Rueda, und ist eine ganz andere Nummer, aber ebenso erfrischend. Uivo heißt Geheul, und auf dem Etikett ist eine Wolfsschnauze abgebildet. Tiago Sampaio will damit ausdrücken, daß er nahe an der Natur arbeitet, mit der Natur. Er hat die Moscatel-Galego-Branco-Trauben (so heißt der echte, kleinbeerige Muskateller auf portugiesisch) vier Monate lang in Zementtanks gären und lagern lassen und später unfiltriert abgefüllt. Ergebnis: Traubiger, betörender Muskatellerduft in der Nase, trüber, dunkelgelber Wein im Glas, herbe Säure am Gaumen. Für manche vielleicht gewöhnungsbedürftig – aber das gilt ja für viele Dinge im Leben.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht. Ich finde es bei heiterem Sommerwetter gelegentlich besonders schwierig, mit den dunkleren Seiten umzugehen, in mir selbst, da draußen in der Welt. Deshalb hat mich neulich beim Bachfest in Leipzig (großartig – hinfahren!) ein Text besonders angesprochen. Über seinen Autor, den Leipziger Johann Georg Schoch (1627-90), ist nicht sonderlich viel bekannt, er schrieb und übersetzte Lyrik und Prosa.

Was ist es doch, was ist des Menschen Leben?
Wir fahren hin gleich wie ein leichter Wind,
wie Wasserschaum, wie Wasserblasen schweben;
gleich wie ein Eis so von einander rinnt.
Der Wasserschaum, die leichten Winde
verschwinden oft nicht so geschwinde.

Wer ist uns gut nur für den andern Morgen?
Die Frist ist so geringe, kurz und klein.
Wir haben uns noch heute zu besorgen,
der Augenblick kann unsre Stunde sein.
Kein Augenblick ist so gehende,
als schnell und plötzlich unser Ende.

Wir messen oft mit weiten Schritten abe (sic)
die kurze Zeit und denken weit hinaus
und stehen doch schon geruht an unserm Grabe,
ja können kaum erreichen unser Haus.
Wenn wir es, Menschen, recht betrachten,
so sind wir gar für nichts zu achten.

Aber bevor wir jetzt alle zusammen ins Melancholische abkippen: Leipzig hatte noch viel mehr zu bieten als „nur“ Bach, nämlich unter anderem das großartige Museum der bildenden Künste. Da hingen Cranach und Co (wie dieser unglaubliche Schmerzensmann von einem Meister Francke aus dem 14. Jahrhundert – ein Alien vom Mars?!?) neben Installationen von Yoko Ono. Peace is Power.

Ich wünsche Euch Sonne, so wie Ihr sie braucht und genießen könnt.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, in Gedichtform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: hier gibt es den Uivo (ggfs anrufen!), hier den Verdejo aus Spanien und hier die Noten zu dem von Johann Rosenmüller vertonten Lied, falls Ihr selber musizieren möchtet ;-). Trinken, lesen, singen, schmecken, denken müßt Ihr wie immer selbst.

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