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Am 21. April war Raw Milk Appreciation Day, der Tag der „Wertschätzung der Rohmilch“, am 13. und 14. Mai findet in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg die RAW Wine statt, Isabelle Légéron’s Messe der Naturweinwinzer, mit einem Heinzelcheesetalk Special zum Thema Rohmilchkäse – also muß der Käse des Monats einfach ein Rohmilchkäse sein. Ladies and Gentlemen: Tymsboro!
Eine „geköpfte“ Pyramide, von der großartigen Mary Holbrook aus der unbehandelten Milch ihrer eigenen Ziegen gefertigt, mit nur wenigen Tropfen Zickleinlab und ansonsten durch die natürliche Säuerung dickgelegt. Ja, dieser Käse erinnert an den französischen Valençay, aber nein, er schmeckt tatsächlich anders, säuerlicher, dichter, lebhafter. Denn Marys 130 Ziegen weiden nicht an der Loire, sondern auf der Sleight Farm bei Timsbury in Somerset in Südwestengland, und Mary hat ihre ganz eigenen, ausgeprägten Vorstellungen. Eigentlich war sie Historikerin und als Museumsarchivarin tätig, doch ihr Mann erbte Mitte der 1970-er Jahre den Hof, und es gab Ziegen, und die wiederum mußten gemolken werden…
Als ich sie Ende August besuche, ziehen Schäfchenwolken am blauen Himmel, der Holunder reift in schweren schwarzroten Dolden, und als wir über den Hof gehen, wehen Marys kurze weiße Haare in der frühherbstlich anmutenden Brise. Sie hätte längst das Pensionsalter erreicht, und fährt trotzdem regelmäßig nach London, um ihre Käse im Reifekeller von Neal’s Yard Dairy abzuliefern – „sonst würde ich vor Langeweile sterben auf dem Land!“ sagt sie. Das Käsen hat sie sich selbst beigebracht, und zitiert dafür interessanterweise dasselbe französische Lehrbuch, das auch ihre die kalifornische Kollegin Laura Chenel auf die Käsesprünge brachte – die aber vom Gesetzgeber gezwungen wurde, die Milch für ihre Frischkäse zu pasteurisieren. Mary hingegen verarbeitet sie grundsätzlich, ohne vorher zu erhitzen. So fängt sie die gesamte Bandbreite ihres natürlichen Potenzials ein; Landschaft, die Stimmung der Tiere und der Menschen, die sich um sie kümmern, das Wetter. Mary besteht außerdem darauf, daß ihr Käse über der dünnen Ascheschicht nicht die eher übliche Geotrichum-Hefe entwickeln soll, sondern für kräftigere Aromen sorgende Penicillum-Kulturen, so daß die zitrusfruchtigen Noten nach vier Wochen in beinahe pfeffrige übergehen. Und trotzdem schmilzt der Käse förmlich auf der Zunge, ganz fein und doch extrem charaktervoll.
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