Rotwein und Käse…

Wenn Heinzelcheese auf dem Rückenetikett einer Weinflasche (sowieso potenziell eine ergiebige Fundgrube) folgende Empfehlung liest: „à déguster: handwerklich sauberer Ziegen- oder Schafskäse“, dann bleibt das hängen. Und zwar im Ernstfall über Jahre… Mir fiel die Empfehlung an einem Abend der Prowein 2013 ins Auge, und seitdem wollte ich diesen Rotwein, den Villa Romaine von Mas des Quernes aus dem Languedoc, auf den Käseprüfstand stellen, ihn mit so vielen verschiedenen Käsen wie möglich erleben.

Mas de Quernes VR 2010 KäseEs brauchte dann zweiten Anstoß in Form eines Mourvèdre namens Armand aus demselben Haus – doch dann! Der Villa Romaine war inzwischen mit dem 2012 zwei Jahrgänge jünger und bestand aus Mourvèdre, Carignan und Grenache. Der Mourvèdre stammte aus dem Jahrgang 2013 und hatte etwas Syrah und Merlot beigemischt bekommen. Auf der Website des Weinguts (ein Jointventure des Weinhändlers Peter Riegel mit dem Önologen Jean Natoli) wird zu letzterem u.a. „weicher Ziegenkäse“ empfohlen, während der Villa Romaine jetzt laut Winzerteam zu „mildem Ziegen- oder Schafskäse“ paßt. Eh ben – on verra, Messieurs. Käse auf die Bretter, Weine in die Gläser, und los, an einem dunklen Berliner Herbstabend, der sich über südfranzösische Rotweine sehr freute. Für sich allein war der 2012 Villa Romaine ein transparenter, herber Wein ohne jegliche süßliche, schmeichelnde Kuscheligkeit, der mich in seiner unerschrocken kantigen Art an manche Almodovar-Filme denken ließ. Der 2013 Mourvèdre Armand ließ etwas mehr Frucht und „Speck“ erkennen – auch Almodovar, aber die vergnüglichen, lustigen Stellen, mit der grandiosen Musik, nicht zuletzt, weil 14,5% Alkohol hier deutlicher zu erkennen waren. Und damit – aux fromages!

Bild 5Die Auswahl war groß, und sie war breitgefächert. Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, ich hatte keine Ahnung, daß zwei an sich vom Typus relativ ähnliche Weine zum Käse derart unterschiedlich darstellen würden. Heinzelcheese würde sooo gerne an dieser Stelle eine einfache Systematik zum Thema Wein zum Käse präsentieren können, aber im wahren Leben, mit nicht genormtem, handwerklichem Käse und Weinen, die mit jedem Jahrgang unterschiedlich ausfallen und sich auch mit der Zeit auf der Flasche verändern… keine Chance. Allenfalls lassen sich Tendenzen erkennen. Wie zum Beispiel: etwas fruchtvergnüglicher im Glas zeigt sich käsekompatibler. Oder: geräucherter Käse ist nicht nur als solcher ein schwieriges Thema, sondern auch zu diesen Rotweinen. Und: Süße und Säure reagieren sowohl im Käse als auch im Wein und dann wechselwirkig mit- und aufeinander. Klingt komplex, gebe ich zu. Und wird noch komplexer, wenn frau der Tatsache ins Käseauge blickt, daß Textur und Konsistenz eine ebenso entscheidende Rolle spielen.

Machen wir uns das Leben jetzt also nicht zu schwierig und widmen Zeilen und Energie vor allem den Kombinationen, die richtig Spaß machten. Tendenziell waren das wie gesagt mehr beim Mourvèdre als beim Villa Romaine, dem Wein des Anstoßes dieser Begegnung. Armand freute sich außerordentlich über einen piemontesischen Testun al Barolo, ein gereifter Kuhziegen-Hartkäse, der mehrere Monate in Barolotrester lagerte. Der Mourvèdre integrierte sich nahezu vollständig in den Käse mit Säure, Tannin und Vitalität (während der Villa Romaine sich gegen den Käse erfolglos zur Wehr setzte). Ebenfalls eine tolle Begegnung: Armand und vier Monate gereifter Montébore (mehr zum Käse hier) – der Wein nahm die wilde Kremigkeit sehr gelassen und bot ihr im Nachhall eine große, lange Bühne. Sein Kollege zog hingegen eher die Säurekarte, gab sich besonders kantig und ließ den Käse älter schmecken. Dann 17 Monate gereifter Allgäuer Bergkäse der Sonderklasse (von Jamei aus Kempten selektioniert und gereift), dem der Mourvèdre komplett auf Augenhöhe begegnete; ein tolles Paar, das sich über Säure, Frucht und Vitalität viel zu sagen hatte, aber auch von gegenseitiger Bewunderung und Respekt geprägt war. Die Villa hingegen ordnete sich unter, wurde beinahe unsichtbar, was im Endeffekt nicht unangenehm war, aber weit weniger beeindruckend.

BildDie größte Einigkeit herrschte – bei einem weichen, relativ frischen Ziegenkäse! Chapeau, Messieurs. Der Glinder Spezial von Gitta Kutschbach aus der Elbe-Landschaft südlich von Magdeburg ist ein flacher, rotgeschmierter Taler, mit leicht säuerlichem Teig im Kern, doch nach außen hin unter der Rinde gereift und fließend (im Bild rechts). Armand und Spezial gefielen sich auf Anhieb, umfassten sich, rückten näher aneinander… der Rest wäre indiskret. Die Villa gab sich zurückhaltender, die Milchsäure machte ihr etwas zu schaffen, sie gerierte sich eher brav – aber Spaß machte ihr dieser aromatische Ziegenkerl durchaus. Überhaupt, die Sache mit dem Ziegenkäse: ein eher weich gekäster und mit Molke affinierter (und daher relativ süßlicher) Ziegenbergkäse aus dem Allgäu (selektioniert von den Kaeskuchlern) war schließlich der käsige Kandidat, in den sich die Villa verguckte. Hier hatte sie richtig Stoff und Fülle, um die eigene Säure abzuarbeiten, und der Allgäuer freute sich über die ordnende Ernsthaftigkeit… Armand gab sich in diesem Fall von der alkoholischen Seite.

Fazit: il faut déguster, immer und immer wieder. La vie est dure

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