Käse des Monats August 2018: Castelmagno d’Alpeggio von Des Martin aus Valliera, Piemont, Italien

Dies ist eine Reihe, die ich seit Jahren monatlich schreibe. Hier könnt Ihr sie abonnieren – dann bekommt Ihr den neuesten Käse direkt auf den Bildschirm!  

Die meisten traditionellen Käse des Piemont haben ihren Ursprung in den Bergen, wenn die Bauern  im Sommer auf den hochgelegenen Weiden von ihren Tieren reichlich Milch bekamen und sie für den Winter haltbar machten, wie es die jeweiligen Bedingungen und Mittel erlaubten. Der vielleicht spektakulärste und urtümlichste dieser piemontesischen Käse ist der Castelmagno, ein natürlicher Blauschimmelkäse, den viele dem Namen nach kennen, aber nur wenige tatsächlich erlebt haben.

Ich habe vor zwei Jahren schon von ihm geschwärmt, aber jetzt hatte ich das Glück, in der Sommerglut aus Anlaß des AgriRockFestivals Collisioni in Barolo Enzo Ornato zu treffen, der zusammen mit einer kleinen Gruppe von Gleichgesinnten die Käserei Des Martin aufgebaut hat. In dem kleinen Gebirgsdorf Valliera bei Castelmagno im Valle Grana haben sie ein altes Anwesen renoviert und die überlieferten Methoden in die Moderne übersetzt, und betreiben außerdem einen Agriturismo und eine Herberge. Valliera liegt auf über 1500 Meter, und die 50 Kühe (braungraue Grigio Alpina und rotweißgefleckte Montbéliard und Valdostana) sowie einige Schafe und Ziegen kraxeln an bis zu 2000 Meter hohen, steilen Hängen – das heißt, daß Des Martin ihren Castelmagno als „d’alpeggio“ auf den Markt bringen, als Alpkäse, der wie früher üblich ausschließlich in den Sommermonaten von Juni bis September produziert wird, mit einem grünen Etikett im Gegensatz zum blauen „prodotto della montagna“ (beide tragen das DOP-Herkunftssiegel). Letzterer wird ganzjährig erzeugt und kann ebenfalls hervorragend sein – aber eben nicht so ausgeprägt im Charakter.

Denn das ist Castelmagno im besten Fall: bei einem Des Martin-Laib vom August 2016 war die Rinde von roten Kulturen spektakulär in Szene gesetzt, wie die Bergspitzen bei Sonnenuntergang, der Teig krümelig, aber auch voll und buttrig, die Aromen erdig und intensiv wie die kühle Bergluft am Abend; dahinter steckte eine nahezu dramatische Spannung zwischen wild und ungefesselt einerseits und Jahrhunderten von Kultur andererseits.

Wie entsteht dieser Käse, dessen Geschichte sich mindestens tausend Jahre zurückverfolgen läßt und den manche auch il re, den König nennen?

Enzo erklärte uns, wie sie die unbehandelte, rohe Milch aus zwei Melkgängen mit Naturlab dicklegen und die Gallerte zweimal schneiden, den Bruch erst 18 Stunden lang in der Molke reifen lassen, dann in Stücke schneiden und drei Tage säuern lassen, um ihn schließlich wieder zu zerbröseln. Mit Salz vermengt wird er durch einen groben Fleischwolf gedrückt und in zylindrischen Formen leicht gepreßt, mit einem Stempel des Gütesiegels auf den sieben Kilo schweren Laiben. Die reifen in Naturkellern, auf Lärchenbrettern bei etwa 90% Luftfeuchtigkeit und dürfen laut Gesetz nach 60 Tagen vermarktet werden, während es bei Des Martin mindestens ein halbes Jahr ist.

Diese Methode hat ihren historischen Ursprung darin, daß die Bauern oftmals den Bruch mehrerer Tage zu einem großen Käse verarbeiteten, der weniger schnell austrocknete, sich also länger aufbewahren ließ. Durch die lockere Struktur und die gelegentlichen Risse zieht sich dabei mit der Reife ein natürlicher Blauschimmel in den Käse – ganz junge Laibe sind also tendenziell weiß, säuerlich und eher mild, gereifte farbenfroher und voller Umami-Würze. Die Rinde ist oft rauh und uneben, je nach Lagerung von gräulich über gelblichbraun bis zu rot und blau, eine Mischung aus Milben und Schimmelrasen, der Teig krümelig bis schiefrig bröckelnd, gelegentlich auch beinahe weich, mit unterschiedlichen Anteilen blaugrüner Einwüchse und Adern.

Wir können uns glücklich schätzen, daß es den König überhaupt noch gibt. Zu abgelegen war das Tal, zu hart die Lebens-und Arbeitsbedingungen, zu wenig geschätzt die wilde Schönheit seines Wesens, die so gar nicht in die moderne Nachkriegswelt zu passen schien. Doch zum Glück schrieb Anfang der 1970er der große Turineser Regisseur Mario Soldati über ihn, und dann nahm sich Luigi Veronelli seiner an. Nun klagen manche, man habe ihn industrialisiert und seines Wesens beraubt, doch Castelmagno ist immer noch die kleinste Käse-DOP Italiens, und wer zu suchen weiß, findet ihn in Bestform, wie von Des Martin. Auf ins Valle Grana!

Dies ist eine Reihe, die ich seit Jahren monatlich schreibe. Hier könnt Ihr sie abonnieren – dann bekommt Ihr den neuesten Käse direkt auf den Bildschirm!  

Wenn Ihr das gerne gelesen habt, dann klickt Ihr vielleicht auch auf diesen Button und unterstützt mich in meiner Arbeit. Danke.

Unterstütze mich über Steady

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.