Der Heinzelwein-Dreier für den Dezember 2022: Wein und Heimat

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Ich mag keinen Glühwein, aber ich freue mich immer wieder auf viele andere Dezember-Rituale: Kerzen auf dem Adventskranz, Kalendertürchen öffnen, Lebkuchen backen. Und Weihnachtsmusik, von Kitsch bis Bach-Oratorium. Weihnachtsfeiern: eher schwierig, nicht zuletzt, weil der Jahres-Endspurt sich jedes Jahr aufs Neue leicht atemlos gestaltet, soviel in so wenige Tage passen soll und gleichzeitig Dunkelheit und Kälte unserer Breitengrade einen so gnadenlosen Trennstrich zwischen denen mit einem warmen Zuhause und jenen ohne ziehen; all die Rituale es schwierig machen, über kulturelle Grenzen hinweg miteinander zu sein.

Deshalb ist mir ein Lied der Klezmer-Gruppe Mischpoke aufgefallen, mit dem beginnen wir heute, dann kommt Wein.

Heymland

Heimat – was ist das? Ort oder Gefühl?

Komme ich daher? Gehe ich dahin? Oder war ich da noch nie?

Heimat, immer nur Einzahl, gibt es sie wirklich nur einmal, oder zweimal, oder keinmal?

Heimat, wer braucht das, vielleicht wird das überschätzt. Können wir immer neue Wurzeln schlagen, wenn man uns läßt?

Steht sie im Paß, oder muß ich sie suchen, wo kann ich sie finden, draußen, in mir drinnen?

Im Weinglas ist eine Art der Heimat für mich Riesling, und der Dezember braucht definitiv Bubbles. Nico Espenschied bringt beides auf ganz feine, klare Art zusammen in seinem 2017 Lena Marie La Roche Riesling Brut. Er hat diese außergewöhnliche Lage im Südwesten Rheinhessens durch fünf Jahre Hefelager strahlend und doch nicht blendend auf die Flasche gebannt; perfekt für alle feierlichen und sonstigen Dezember-Momente.

Zu den unvermeidlichen Ente-Gans-Rotkohl-Gelegenheiten sind mir seit einiger Zeit sogenannte Orange-Weine, also mit den Schalen vergorene Weißweine zur Heimat geworden. Besonders zu Röstaromen und ein bißchen Fett auf dem Teller gefällt mir ihr mehr oder weniger ausgeprägter herber Gerbstoff. Fritz Wieninger macht solche Weine in Wien unter dem Hajszan-Neumann-Etikett, und der 2020 Gemischte Satz „Natural“ hat durch etwas Hefe-Anteil (da unfiltriert abgefüllt) nochmals mehr Präsenz, ist stoffig, aber nicht schwer. Grüner Veltliner, Welschriesling, Weißburgunder, Riesling und Traminer sind hier vereint im Wiener Nußberg gewachsen und erinnern an Birne und Kräuter.

Trotzdem: Rotwein muß schon auch sein! m Moment gefällt mir 2020 Nero di Troia von Angiuli aus dem nördlichen Apulien, weil er Fülle, Wärme mit Transparenz zusammenbringt. Es wäre jetzt verlockend, über den Namen dieser regionalen Rebsorte Wirren und Leid des Kriegs um Troja, Ilias und Odyssee ins Spiel zu bringen, schließlich auch ein Streit um Heimat – aber hier ist der gleichnamige Ort in Apulien gemeint.

Ich wünsche Euch Heimat, hier, dort, vielleicht hier und dort. Ihr seid auf alle Fälle Teil der meinigen: danke.

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