Der Käse des Monats für den Dezember 2022 ist: Kjerringklump von Hindrum Gårdsysteri in Trøndelag, Norwegen

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Nach dem Munkeby im November hier nochmals Norwegen, aber ganz anders als der intensiv aromatische, weiche Käse von Zisterzienser-Bruder Joël. Der bezog sich auf die Traditionen des Ordens in Frankreich, während Frode Hindrum und Liese Mathiesen sich von der „weiten Welt“ inspirieren lassen und diese dann auf dem alten Hof von Frodes Familie den norwegischen Bedingungen anpassen. Die Cheddar-Käse der englischsprachigen Welt haben es ihnen ganz besonders angetan, und so entstand der Kjerringklump.

Blättrigsplittrig bröckelnd wie ein Westcombe, Keen oder Montgomery aus Somerset, doch die cheddartypische Säure erst im Nachhall präsent und ruhiger, die fein erdigen, in England häufig an frischen Meerrettich erinnernden Aromen hier runder, eher wie kräftige Wurzelgemüse. Was mich sehr beeindruckt und bei meinem Besuch überraschte: der Kjerringklump reift in Leinen bandagiert, das ist selbst in Somerset die Königsklasse.

Wie beim Munkeby geht es also um Tradition und Innovation – was ja sowieso unbedingt zusammengehört, weil erstere sonst zum Museum erstarrt. Und mit Tradition kennt sich Frode Hindrum aus: seine Familie hält hier auf dem Hof auf der Halbinsel Fosen nördlich von Trondheim seit mindestens 1520, wahrscheinlich aber schon viel länger Milchkühe. Frodes Großvater betrieb noch eine Saeter, eine Sommerkäserei in den sogenannten „Fosen-Alpen“ zwischen Leksvika und Vanvikan, dann ging man irgendwann dazu über, die Milch ganzjährig von der Molkerei abholen zu lassen. Bis der Norweger Frode die Dänin Liese kennenlernte, die eigentlich Filmemacherin werden wollte, und die beiden beschlossen, nicht nur die Hof zu übernehmen, sondern auch auf Biomilch umzusteigen (2009) und einen Teil davon unbehandelt, also als Rohmilch selbst zu Käse zu verarbeiten. Ab 2012 begann Liese zu experimentieren, Kurse zu besuchen, und sie gingen im Sommer mit zwei der 34 Kühe hinauf auf die alte Saeter des Großvaters. Dann machten sie sich ans Planen. 2014 war es soweit: die kleine Käserei in dem rotgestrichenen Hofgebäude war startbereit.

Aber warum ausgerechnet Cheddar, und Cheshire, und Monterey Jack als Vorbilder? „Damals besuchten alle dieselben Kurse, und es gab nur wenig verschiedene Käse,“ erzählte Liese, „und diese Käse haben mir einfach gefallen.“ Beim sogenannten „Cheddaring“ säuert und entmolkt der Bruch über viele Stunden im Kessel, bevor er in kleine Stücke geschnitten, gesalzen und schließlich gepresst wird. Die Laibe werden dann mit Butter eingerieben und mit Leinen bandagiert, bevor sie nochmals unter die Presse kommen. So entsteht eine atmungsaktive Oberfläche, bei der der meiste Schimmel auf dem Tuch selbst wächst, aber dennoch einen erheblichen und guten Einfluss auf die Reifung des Käses hat. 

Und der Name? Kjerringklumpen ist mit 601 Metern der höchste Berg der Gemeinde Leksvik, man soll dort einen fantastischen Blick über den Trondheimsfjord im Süden un die Moore Kjølheia, Fagerheia und Kvernbølsheia im Süden haben. Wenn ich das nächste Mal dort bin, werde ich hoffentlich Zeit für eine lange Wanderung haben. Dieses Mal war ich einfach froh, Frode und Liese und ihre neuen, alten Traditionen in Form von Käse kennenzulernen. Auf der Fahrt mit der Fähre zurück nach Trondheim begleitete mich ein wunderschöner Regenbogen, und die Waffel mit Brunost zum Kaffee war eine weitere Erinnerung daran, daß Weltoffenheit und regionale Identität sich keineswegs ausschließen.

4 Gedanken zu „Der Käse des Monats für den Dezember 2022 ist: Kjerringklump von Hindrum Gårdsysteri in Trøndelag, Norwegen“

  1. Dieser Käse Kjerringklumpen klingt wirklich wunderbar und ist bestimmt sehr köstlich!

    Brunost ist nicht ganz so mein Ding, dreimal gekostet, zweimal davon auch selbst hergestellt, doch wir werden leider keine Freundinnen.. Wobei ich zugeben muss, dass ich generell nicht so auf Karamell steh…

    Die Geschichte dieses Käses (Anne Hov) gefällt mir aber sehr!

    Liebe Grüße und auch ein ganz klein wenig Neid auf Deine wunderschönen Reisen zu den Käsen der Welt!

    Irmgard

    1. Liebe Irmgard – ich hab auch lange gebraucht, bis wir uns angefreundet haben, der Brunost und ich, und es mußte erst der „richtige“ daher kommen ;) Aber es gibt so viele andere großartige norwegische Käse… Danke fürs Lesen, U.

      1. Na, dann gibt’s noch Hoffnung für mich – vielleicht komm ich wie Du auch irgendwann mal auf den Geschmack von brunost bzw gjetost .

        Wenn Du käsemäßig auch gern in Nordeuropa unterwegs bist – hast Du schon mal leipäjuusto gekostet? Ich mag den sehr gern, der wird traditionelleweise vor allem von dem Sapmi hergestellt. Ich mag ihn am allerliebsten frisch und noch heiß aus dem Ofen, mit heißem Kaffee übergossen und rausgelöffelt. Schmeckt aber auch sehr gut mit tunnbröd (ebenfalls eine samische Spezialität) und frischen Moltebeeren (wachsen in den nordeuropäischen Wäldern bzw eher im Moor).

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