Der Heinzelwein-Dreier für den November 2022: goldgelbrote Äpfel, blaue Trauben und Meditationen am Klavier über die Stille von Víkingur Ólafsson

Der Heinzelwein-Dreier ist eine monatliche Serie, die Ihr hier abonnieren könnt.

Nähe und Weite, Klang und Stille – es ist Herbst, und Heinzelcheese gibt sich der Melancholie hin. Denn obgleich zumindest im Moment draußen die Sonne noch strahlt und lockt, wird es doch früh dunkel, und es tut gut, einen warmen Ort zuhause nennen zu können. Auch beim Wein suche ich jetzt nach solchen, die mit hell und dunkel, warm und kalt spielen. Chiaroscuro im Glas.

Andreas Schneider und sein Obsthof am Steinberg in Niedererlenbach bei Frankfurt am Main sind Euch wahrscheinlich bekannt; Andreas war einer der ersten hierzulande, der Wein aus Äpfeln und Birnen nicht nur zu ungeahnter Eleganz, sondern auch der verdienten Anerkennung verholfen hat. Sein 2018 Muskatrenette Barrique ist unfiltriert und ohne Schwefel abgefüllt, mit angenehmer Kohlensäure aus der zweiten Gärung auf der Flasche – und duftet wie ein Bilderbuchherbsttag: nach Bratäpfeln, einer Ahnung von Birnen, raschelnden Laubhaufen und dem Rauch eines Kaminfeuers in der kühlen Abendluft. Er vereint etwas Helles, Heiteres mit dunkler, beinahe melancholischer Tiefe (ja, letzteres ließe sich technisch auch mit einem Anflug von ledriger Brettanomyces und Gerbstoffen beschreiben – aber daran denke ich nicht, wenn ich diesen Wein im Glas habe).

Der 2020 Lemberger von Stefanie und Fabian Lassak aus Hessigheim am Neckar in Württemberg übersetzt die großartige Kulturlandschaft der steilen Rebterrassen entlang der Flußschlaufen in einen spannungsgeladenen und doch total entspannten Wein – wie die schönsten Herbsttage… Dunkle Kirschfrucht voller reifer Säure läßt ihn ganz transparent und hell erscheinen, Gerbstoffe sorgen für das Dunkle, die Bodenhaftung… Die beiden haben ihr kleines Weingut 2012 quasi aus dem Nichts gestartet und sich mit ihren Weinen (neben Lemberger, der württembergischen Sorte schlechthin, auch Riesling und Spätburgunder) verdientermaßen schnell in den ersten Reihen positioniert. Ich bin sehr froh, sie vor kurzem besucht zu haben.

Dazu: Herbstliches auf die Ohren. Ihr wißt, daß ich ein Fan des isländischen Pianisten Víkingur Ólafsson bin. Nicht nur seine Art zu spielen, sondern auch, wie er Stücke kombiniert und in einen Dialog treten läßt, der sie einen ganz neu hören läßt, fasziniert und inspiriert mich. Sein neues Album heißt From Afar, und wie immer würde ich es Euch hier am liebsten in seiner Gesamtheit präsentieren. Geht natürlich nicht, auch isländische Pianisten müssen schließlich Geld verdienen. Aber hier gibt es einen Vorgeschmack (und dann ist da natürlich auch noch Spotify), und der Stil des Trailers ist zwar Geschmacksache, aber Ólafssons Gedanken sind so interessant. Er sagt etwa:

Three Folk Songs from Csík, written down by Bartók but preserved in the oral tradition for God knows how long, feel like intimate messages from the distant past. This small treasure came to me through serendipity as I browsed through heaps of sheet music on sale at reduced prices at the wonderful Blackwell’s Music Shop in Oxford in 2009. Playing this music for the first time felt like coming home. It brought back childhood memories of playing Bartók…

Er spricht auch über seine Heimat Island, für ihn der Ort, an dem sich Stille am besten erfahren läßt – ich war (noch?) nie in Island, aber der Gedanke an diese Landschaft paßt zum herbstlichen Hell und Dunkel…Ich wünsche, daß Ihr von beidem habt.

Die Idee dieser monatlichen Empfehlungen: Zwei Flaschen, und zu den flüssigen Geschichten außerdem eine in Worten, oft in Gedicht- oder Musikform – das ist der Heinzelwein-Dreier. Kein Verkaufsformat, sondern der Versuch, zumindest einen Teil dessen, was mir so an Wein und Worten begegnet, mit Euch zu teilen – abonnieren könnt Ihr diese Serie hier. Und damit Ihr nicht lange suchen müßt: die Weine gibt es hier und hier. Das Album könnt Ihr hier bestellen. Lesen, trinken und schmecken, hören und die Balance zwischen hell und dunkel finden müßt Ihr wie immer selbst.

(Nein, das ist keine Muskat- sondern eine Ananasrenette!)

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