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Rockefeller-Geld, ein Star-Architekt, der auf alte Anwesen auf Martha’s Vineyard spezialisiert ist, Urlaubsziel der Schicken und Reichen, und anthroposophische Ideale – das klingt in der Summe nicht unbedingt wie eine gute Voraussetzung für Käse mit Charakter und Schmackes. Ich hatte also meine Zweifel, als mir Freunde neulich von der Churchtown Dairy in Hudson, zwei Autostunden nördlich von New York City bzw. knappe drei westlich von Boston erzählten.
Und doch: der Coperthwaite, ein gut handtellergroßer, flacher runder Weichkäse, ist ein kleines Schmuckstück. Seine feinsandig knuspernde Rotschmierrinde bringt genau die richtige Dosis Kuhstall-Aroma mit, um die üppige Art der verdichteten Milch zu strukturieren. Ob Marc bei Formaggio Kitchen oder Kate bei Talbott & Arding: alle Käsehändler, mit denen ich sprach, waren voll des Lobes.
Auf dem Papier steckt eigentlich viel zuviel Idealismus hinter diesem Käse (Churchtown Dairy produziert noch einige andere Sorten, von denen ich bis jetzt nur den Frischkäse probiert habe – hervorragend): Abby Rockefeller gehört zu DEN Rockefellers, ist Feministin und Umweltaktivistin. Sie beauftragte Rick Anderson, eine „schöne“ Farm zu entwerfen, auf Land, das ihrer Familie gehörte und wo es einst viel Milchwirtschaft gab. Er versetzte mehrere alte Gebäude aus den 1830ern aus New Hampshire und baute dazu eine spektakuläre, vollkommen überdimensional wirkende runde Scheune, die 2016 eingeweiht wurde. Kühe und Bauern kamen von der nahegelegenen Triform Campbell Community, einer anthroposophischen, heilpädagogischen Lebensgemeinschaft, gewirtschaftet nach biodynamischen Prinzipien. Es soll ein Gegenentwurf zur industriellen Landwirtschaft sein, und die Käse sind nach Aktivisten benannt wie Wendell Berry oder eben William Coperthwaite, einem Lehrer, Handwerker, Designer und Schriftsteller, der sich für die Einfachheit eines integren Lebens einsetzte.
“Jeder von uns versucht, so gut zu leben, wie es den eigenen Möglichkeiten entspricht. Ich möchte so wenig wie möglich zu den Problemen der Welt beitragen. Ich glaube wirklich, daß wir einfacher leben müssen, sonst wird die Gesellschaft scheitern.”
A Handmade Life: In Search of Simplicity (2003)
Damit wir uns nicht mißverstehen: es ist ein wunderschönes Anwesen. Jedes Detail ist ästhetisch: die Holzbalken der hohen Scheunendecke, das Sternenmuster in der Dachkuppel, die Lüftungsklappen, die Steinbögen, die weißen Fliesen der Käserei… und ich bin sicher, daß sich die 28 Milchkühe (eine Mischung aus Brown Swiss, Guernsey und Jersey) im Winter in ihrem Palast ebenso wohlfühlen wie bei meinem Besuch im Spätsommer auf den umliegenden Weiden und den offenen Ställen mit den Rundbögen. Ob das wirklich das einfache Leben ist, das Coperthwaite vorschwebte (der in Maine lebte, sich auf den Bau von Jurten spezialisiert hatte und 2013 bei einem Autounfall verunglückte), das sei dahin gestellt.
Delighted to see international attention for this absolute star of the Hudson Valley!